Der Schwur des Maori-Mädchens
und?«, entgegnete Vivian betont trotzig, während ihr in Wirklichkeit mulmig zumute war bei der Vorstellung, der Bischof könne sie zwingen, in seinem Haus zu leben.
»Ich glaube, Vivian hat nichts zu befürchten. Für dieses kleine Problem finden wir schon eine angemessene Lösung«, bemerkte Ben in süffisantem Ton.
Vivian sah ihn verblüfft an, während Isabel sich kühl verabschiedete und ihren Verlobten am Arm mit sich fortzog, wogegen er sich nicht einmal zur Wehr setzte.
Vivian aber hatte den Blick immer noch auf Ben geheftet. »Das war alles nicht für deine ... ich meine Ihre Ohren ...«
»Deine!«
»Gut, das war nicht für deine Ohren bestimmt, aber nun weißt du es ja. Ich bin eine entfernte Verwandte des Bischofs, die nach dem Tod ihrer Mutter nach Neuseeland geschickt wurde. Er ist mein Vormund. Allerdings war es keine erfreuliche Begegnung. Ich mag den Mann nicht und der Mann mich nicht. So habe ich die Chance ergriffen, mit seinem Sohn Frederik, dem einzig netten Familienmitglied, in die Northlands zu flüchten, um dieser Geschichte nachzugehen. Und jetzt willst du sicher wissen, wie der alte Maori da hineinpasst. Das ist ganz einfach. Er glaubt, in mir seine längst verstorbene Schwester wiederzuerkennen, und hat mir netterweise ein Dach über dem Kopf gegeben, da ich nicht beabsichtige, in das Haus des Bischofs zurückzukehren. Aber der Maori ist nicht mehr ganz bei Trost. Er soll ja auch schon steinalt sein. Reicht dir das? Und noch was. Ich habe dich beschwindelt, als ich behauptete, dass der Maori mit mir verwandt ist. Das stimmt nicht. Aber jetzt kennst du die ganze Geschichte.« Vivian wunderte sich sehr darüber, dass sie nicht wenigstens rot anlief. Sie verabscheute Lügen, aber um ihre und Matuis Wahrheit zu schützen, würde sie noch ganz andere Märchen erfinden.
Zu ihrer großen Verblüffung grinste Ben breit. »Schön, dass du mir gleich dein ganzes Leben erzählt hast. Dabei interessiert mich nur noch eines an der Geschichte mit dem alten Maori. Ich muss also nicht ihn, sondern den Bischof um deine Hand bitten, wenn er kommt, um dich zu holen.«
»Wie bitte?« Vivian glaubte, sich verhört zu haben.
»Ich sagte, dann weiß ich ja endlich, bei wem ich um deine Hand anhalten muss.«
»Wie kommst du ... ich meine, wollen Sie, ich meine du, damit sagen, dass du ...«, stammelte Vivian.
»Ja, ich will damit sagen, dass es für deinen Schlamassel nur eine Lösung gibt. Mich zu heiraten.«
»Aber ich kenne dich doch nicht, ich meine ...«
»Du hast recht. Normalerweise wäre ich noch ein paarmal mit dir ausgegangen und hätte dich zumindest geküsst.«
Kaum hatte er den Satz vollendet, da beugte er sich zu ihr hinunter und gab ihr einen Kuss auf den Mund. Ohne sich um ihre offensichtliche Fassungslosigkeit zu kümmern, sagte er: »Normalerweise hätte ich dich richtig geküsst, aber mir bleibt in diesem Fall keine Zeit zum Zaudern ...«
»Ben, jetzt hör endlich auf! Was bildest du dir eigentlich ein?«, unterbrach Vivian ihn, kaum dass sie die Sprache wiedergefunden hatte.
»Ich will dir doch nur helfen«, erwiderte er mit sanfter Stimme.
»Das wird ja immer schöner!«, fauchte Vivian.
»Nun lass es mich doch wenigstens erklären. Also, du willst nicht mehr in das Haus des Bischofs zurück. Da du aber noch nicht volljährig bist, kann er dich auch gegen deinen Willen zurückholen. Er mag dich aber offenbar auch nicht besonders und würde dich lieber loswerden. Was kann ihm da Besseres geschehen, als dass Ben Schneider, ein wohlhabender und gesellschaftlich anerkannter Sohn Wanganuis, dich ihm abnimmt? Und was kann dir in deiner Lage Schöneres passieren, als dass der charmante und gut aussehende Reporter Ben Schneider dir einen Heiratsantrag macht und eine Stellung bei der Zeitung seines Vaters anbietet?«
Vivian war hin- und hergerissen zwischen Empörung und Amüsement.
»Du bist ja gar nicht eingebildet«, bemerkte sie kopfschüttelnd.
»Ich habe mich auf den ersten Blick in dich verliebt und bei mir gedacht: Ben, das ist die Frau, mit der du den Rest deines Lebens verbringen willst.«
Ehe sie sich's versah, hatte er sie in die Arme genommen und drückte sie zärtlich an sich. Ihr wurde wider Willen ganz heiß. Es war kein unangenehmes Gefühl. Zwar verursachte ihr diese Umarmung kein Herzflattern und weiche Knie wie bei Frederik, aber es rührte sie zutiefst, dass er sie wirklich zur Frau nehmen wollte.
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