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Der Schwur des Maori-Mädchens

Der Schwur des Maori-Mädchens

Titel: Der Schwur des Maori-Mädchens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
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Mund drangen nur unartikulierte Worte. Da hörte sie ihren Schwiegervater drohen: »Sie verschwinden augenblicklich aus diesem Haus, Mister Ngata oder wie Sie sonst heißen. Sie haben hier nichts zu suchen.«
      Lily schaffte es, sich bemerkbar zu machen. Sie warf einfach ein Glas um, das auf ihrem Nachtisch stand. Die Blicke aller waren nun auf sie gerichtet. »Alle raus hier!«, krächzte sie. »Bis auf Doktor Ngata und die Hebamme.« Es hörte sich zwar etwas verzerrt an, aber man konnte es verstehen. Jedenfalls hatte sich Mister Newman bereits aufgeplustert, um ihr etwas Passendes zu erwidern, da zischte seine Frau: »Lasst uns gehen. Immerhin hat der Maori das Kind gerettet.«
      Doktor Claydon lachte laut auf. »Er hat mit ihrem Leben gespielt und Glück gehabt«, schnaufte der behäbige Mann, während er sich mit einem Tuch ständig den Schweiß von der Stirn wischte.
      Lily aber kümmerte sich nicht mehr um den Pakeha-Doktor, sondern hatte nur noch Augen für den Maori-Arzt, der ihr nun das Neugeborene in den Arm legte.
      Voller Stolz blickte sie den kleinen Jungen an. Er sah aus wie ein richtiger Pakeha - bis auf die tiefbraunen Augen.
      »Ich danke Ihnen, Doktor Ngata«, seufzte sie gerührt. »Und auch Ihnen.« Sie wandte sich der Hebamme zu, die allein mit dem Maori-Arzt im Zimmer geblieben war.
      »Ich glaube, Herr Doktor, wenn sich das unter den werdenden Müttern herumspricht, dann werden Sie sich nicht mehr retten können vor Patientinnen«, bemerkte die rundliche Frau mit dem gutmütigen herzförmigen Gesicht. »Aber sehen Sie sich vor. Doktor Claydon ist ein eitler Mann, der sicherlich nichts unversucht lassen wird, Sie in Misskredit zu bringen. Und er ist in seiner Ehre getroffen, allein weil das Kind überlebt hat. Er ist dafür bekannt, dass er die werdenden Mütter für den Fall, dass ihre Kinder nicht mit dem Kopf nach unten liegen, betäubt und die Ungeborenen in ihren Bäuchen so lange mit der Zange bearbeitet, bis sie tot und völlig durchlöchert abgestoßen werden.«
      Tamati schüttelte sich. »Davon hörte ich. Das sind ja Methoden wie vor hundert Jahren.«
      »Eben, deshalb wird er Sie ja hassen, weil Sie ihm vorgeführt haben, wie man es besser machen kann.« Die Hebamme schien wirklich besorgt um den Maori-Doktor zu sein.
      Der aber winkte lächelnd ab. »Das kenne ich schon, dass ich den hiesigen Kollegen durch meine moderne Ausbildung in London suspekt bin und sie mir unterstellen, ich würde mich heidnischer Maori-Rituale bedienen. Dabei kenne ich leider gar keine, aber die Kräuter meines Volkes, die wirken wahre Wunder. Bislang hat mir allerdings keiner der Neider einen Schaden zufügen können, und wenn ...«
      Er wurde durch ohrenbetäubendes Geschrei unterbrochen, doch nachdem Lily dem Säugling geistesgegenwärtig die entblößte Brust angeboten hatte, schmatzte der kleine Kerl friedlich vor sich hin.
      »Wenn Sie Ärger bekommen sollten, dann sagen Sie mir bitte Bescheid. Ich würde alles tun, um Sie gegen üble Nachrede zu verteidigen«, erklärte Lily entschlossen.
      »Meine Unterstützung haben Sie auch«, ergänzte die Hebamme. »Ich werde Sie in Zukunft zu jeder schwierigen Geburt holen lassen.«
      »Aber nicht jede Pakeha lässt sich von mir bei einer Entbindung helfen«, erwiderte er ernst.
      »Das ist leider wahr. Einige sind wirklich verbohrt«, seufzte die Hebamme, während sie ihre Tasche packte. »Ich werde die nächsten Tage noch einmal nach Ihnen sehen, Misses Newman, und genießen Sie Ihr Glück. Bei der kräftigen Stimme bringt er es bestimmt einmal zu etwas Besonderem.«
      Lily lächelte zum Abschied. Sie mochte die Hebamme, doch nun war sie mit Tamati Ngata allein.
      »Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll«, flüsterte Lily mit Tränen in den Augen. »Wenn Sie nicht gewesen wären, dann hätte ich meinen kleinen Sohn stückchenweise geboren.«
      »Wie Sie das so sagen. Ich müsste lachen, wenn es nicht so traurig und wahr wäre. Lily, ich mag Ihre offene Art. Und Sie haben mitgeholfen, weil Sie mir Ihr Vertrauen geschenkt haben. Sie haben daran geglaubt, dass ich Ihr Kind hole. Ich habe es in Ihrem Blick gelesen, bevor Sie davongedämmert sind.«
      Lily senkte den Kopf und wurde rot. Hoffentlich hat er nicht noch mehr in meinen Augen gesehen, dachte sie bang. Und ehe sie sich's versah, hatte sie seine Hand genommen. Er ließ es geschehen. Keiner von ihnen sprach ein Wort, und doch sagte diese stumme Berührung mehr

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