Der Schwur des Maori-Mädchens
einzigartiges Geschöpf von unglaublicher Schönheit. So wie es auch ihre Mutter einst gewesen war.
Er sollte ein ernstes Wort mit ihr reden, aber er konnte sich gerade nicht so recht dazu überwinden, heute Abend mit ihr spazieren zu gehen. Dazu war er noch viel zu aufgewühlt. Und außerdem musste er den Auftrag seiner Mutter erledigen.
»Tut mir leid, Kleines, ich muss helfen, die Möbel zur Seite zu räumen, weil das Haus doch morgen für die Feier gebraucht wird«, entgegnete er und nahm sie zum Trost in die Arme. Er stutzte, als er dicke Tränen über ihre Wangen rinnen sah. Rasch versprach er ihr, sich morgen während der Feier für ein Stündchen mit ihr zur Bucht fortzuschleichen.
»Dann habe ich Zeit, meine Kleine, und dann gehen wir, so weit uns die Füße tragen, und du erzählst mir von deinem Kummer.« Er hielt inne und betrachtete sie noch einmal von oben bis unten.
»Ich glaube, du solltest wirklich weniger essen«, bemerkte er streng.
Maggy aber drehte sich auf dem Absatz um und rannte schluchzend davon.
Matthew blieb ratlos zurück. Morgen, entschied er, morgen werde ich mich ganz bestimmt um meine kleine Schwester kümmern.
Paihia, nächster Morgen, September 1844
Das weiße Holzhaus der Carringtons strahlte an diesem Morgen noch mehr als sonst in frischem Glanz. Auch das Wetter spielte Emily in die Hände. Eine warme Sonne tauchte die Bucht in ein frühlingshaftes, schmeichelndes Licht. Die Wiesen waren sattgrün, das Wasser fast blau, und von allen Seiten zogen Blütendüfte um das Missionarshaus auf dem kleinen Hügel am Meer.
Die Mutter des Bräutigams machte einen Schritt in den Garten und rieb sich beim Anblick der Blumenpracht die Hände. Wie schön würden die Sträuße werden, die sie zur Dekoration ins Zimmer stellen würde! Einen Augenblick lang spielte sie mit dem Gedanken, die Tafel draußen zu errichten, aber dann dachte sie an die blasse Miss Morton mit ihrer empfindlichen Haut, die als Lehrerin in der Te-Waimate-Mission arbeitete.
Plötzlich fiel ihr ein, dass sie ja noch die Kirche schmücken musste. Das schaffe ich nicht allein, durchfuhr es sie. Maggy muss mir helfen, aber wo steckt sie eigentlich? Erst jetzt fiel Emily auf, dass das Mädchen nicht zum Frühstück erschienen war. Das ist doch sonst nicht ihre Art, den Tag zu verschlafen. Warum muss sie gerade heute so einem Laster frönen?, dachte sie verärgert und war schon zurück im Haus, um Maggy zu wecken.
Als sie ohne anzuklopfen die Zimmertür aufriss, wuchs ihr Unmut, denn ihre Ziehtochter schlief gar nicht mehr, sondern blickte sie aus ihren großen Augen leer an.
»Maggy, wo bleibst du nur? Ich habe so viel zu tun. An so einem Tag kannst du doch nicht einfach im Bett bleiben und träumen. Steh auf, aber schnell!«
Das Mädchen gehorchte und kroch langsam unter ihrer Decke hervor. Emily trommelte voller Ungeduld auf die Tischkante des Waschtisches.
»Ich ... mir ist so ... mir ...« Mehr brachte Maggy nicht heraus. Da war sie bereits zur Waschschüssel gestürzt und hatte sich übergeben.
Emily blieb wie betäubt stehen. Dem Kind ging es nicht gut, keine Frage, aber das passte ihr heute so ganz und gar nicht. Und es ärgerte Emily plötzlich, dass sie dem Kind nicht Einhalt geboten hatte. Seit Monaten stopfte sie alles Essbare wahllos in sich hinein und nahm ständig zu. Sie hatte längst ein ernstes Wort mit ihr reden wollen, aber die Hochzeitsvorbereitungen hatten sie einfach zu sehr in Beschlag genommen.
»Schnell zurück ins Bett!«, fauchte sie, nachdem sie ihre Fassung wiedergewonnen hatte. »Ich schaffe das schon allein, aber ich kann erst wieder nach dir sehen, wenn ...«
In diesem Augenblick fiel ihr Blick auf Maggys gewölbtes Bäuchlein, das sich unter dem weißen Linnen deutlich abzeichnete. Das war kein angefressener Wanst, das war ... Emily traute sich nicht, den Gedanken zu Ende zu denken. Sie ließ sich stöhnend auf den Stuhl neben dem Bett fallen und musterte Maggy ungläubig, die jetzt eilig ins Bett zurückschlüpfte.
»Kind, hast du mir was zu sagen?«, fragte sie nach einer ganzen Weile. Das Mädchen heftete den Blick beschämt auf die Bettdecke. Das kam einem Geständnis gleich.
Mit zitternden Knien erhob sich Emily und wankte zum Bett ihrer Ziehtochter. Dort ließ sie sich unsanft fallen. Dann fasste sie Maggy unter das Kinn und sah ihr direkt in die Augen.
»Maggy? Du hast doch nicht etwa...? Du bist doch nicht
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