Der Schwur des Maori-Mädchens
Hekes Männern zu sein. Tama? Sein Sohn? Nein, niemals! Der Häuptling hatte die Siedler in der Bay of Islands unnötig in Aufruhr versetzt. Und mehr noch. Seine Aktion hatte die Briten dazu ermutigt, Rotröcke zur Hilfe zu holen. Nun lag ein Schiff der Engländer in der friedlichen Bucht, und die Soldaten flanierten wie die Herren durch Russell. Manchmal fuhr Matthew im Boot hinüber, aber nur um Tinte aus der Pompallier-Mission zu besorgen. Der Kontakt zu den Brüdern der katholischen Mission war wesentlich freundlicher geworden, seit sie Bruder Jean nach Frankreich zurückgeschickt hatten. Ja, man half sich sogar mit allerlei Werkzeug und Zubehör aus.
Was für ein Irrsinn! Und das alles nur für einen Fahnenmast, ging es Matthew durch den Kopf, während er sich an der Druckmaschine zu schaffen machte. Er konnte nicht leugnen, dass ihm die Arbeit Spaß machte. Wer hätte gedacht, dass es mir einmal Freude bereiten würde, Bibeln herzustellen?, dachte er versonnen, während er die Druckmaschine betätigte, als hätte er nie etwas anderes getan.
Er war ja so froh, dass man ihn nicht nach Kerikeri geschickt hatte, sondern dass er in der Druckerei von Paihia lernen durfte. So konnte er in seinem Bett schlafen und sich abends mit den Schnitzereien beschäftigen. Außerdem hatte er seine Liebe zum Zeichnen mit Wasserfarben entdeckt. Inzwischen kamen einige Häuptlinge der umliegenden Stämme zu ihm und ließen sich von ihm abbilden. Für Matthew war es eine erfüllende Aufgabe, Porträts der Maori zu erstellen. Er achtete peinlich genau darauf, ihre stolzen Gesichter genau darzustellen, damit man ihnen ansah, dass sie Häuptlinge waren und keine dunkelhäutigen Wilden. Besondere Mühe gab er sich damit, die unterschiedlichen Tattoos haarklein wiederzugeben. Manchmal spielte er insgeheim mit dem Gedanken, sich auch ein Tattoo machen zu lassen. Doch er wusste, dass er damit den Zorn seiner Zieheltern erregt hätte, und das galt es zu vermeiden. Manchmal unterhielt er sich mit den Männern und erfuhr, dass keiner von ihnen Hone Hekes Rebellion unterstützte, außer Te Ruki Kawiti, ein angriffslustiger Häuptling der Ngata Hine. Ganz im Gegensatz zu dem weisen alten Tamati Waka Nene, der ebenfalls zu den Unterzeichnern des Vertrages von Waitangi gehörte. Der ließ bei jeder Gelegenheit seinem Unmut über diesen ungestümen Burschen, wie er Hone Heke zu nennen pflegte, freien Lauf. Er sei ein angriffslustiger Krieger, betonte er immer wieder, der auch nicht davor zurückschrecken würde, Krieg gegen die Siedler zu führen. Ja, er warnte mehrfach die Missionare in Paihia, allen voran Walter Carrington, eindringlich vor der Gefährlichkeit von Kawiti. Das alles ging dem jungen Maori durch den Kopf, während er gerade damit beschäftigt war, die Druckmaschine zu säubern.
Da klopfte es, und bevor Matthew den Gast hereinbitten konnte, blickte ein ihm bekanntes Gesicht durch den Spalt der halb geöffneten Tür.
»Hone Heke?«, entfuhr es Matthew fassungslos, weil er doch gerade eben so intensiv an den Häuptling gedacht hatte.
»Ja, mein Sohn, ich bin es. Hast du mich nicht erwartet?«, fragte er in scharfem Ton. »Wie ich höre, verbringst du deine Zeit damit, Bildnisse von Louka, Quiremu, Hiperina und auch Waka Nene anzufertigen. Da dachte ich, du könntest auch ein Bild von mir malen.«
»Ich ... doch ... also, ja ... ich weiß nicht...«, stammelte Matthew.
»Mal mich!«, verlangte der Häuptling herrisch.
Matthew war so verlegen, dass er nicht wusste, wohin er blicken sollte. So starrte er auf seine blank geputzten Schuhe. Hone Heke folgte seinem Blick und grinste breit. »Das Barfußlaufen war wohl nichts für deine zarten Pakeha-Füßchen«, höhnte er.
Matthew tat so, als hätte er die Bemerkung überhört, und fragte sich bang, was er bloß tun sollte. Er befürchtete, dass er dem Häuptling auf keinen Fall ein Bildnis verwehren durfte, und ahnte, dass dieser mit Sicherheit nicht nur gekommen war, um sich von ihm porträtieren zu lassen.
»Setz dich dorthin!«, verlangte Matthew und versuchte krampfhaft, seine Unsicherheit zu verbergen, aber seine Hände verrieten ihn. Sie zitterten, als er ein Bildnis des Häuptlings erstellen wollte.
Hone Heke indessen saß stumm auf seinem Stuhl und ließ sich geduldig malen.
Ganz langsam fiel die Anspannung von Matthew ab. Wenn er den Häuptling gut traf, dann hatte er doch nichts zu befürchten. Während er das Porträt schuf, redete
Weitere Kostenlose Bücher