Der Schwur: Schwerter des Zorns 1 (German Edition)
auf und schlang die Armbrust über seine rechte Schulter. Der Alte grinste zu ihm hinauf, und Bahzell erwiderte das Lächeln.
»Du solltest am besten eine Weile hier bleiben«, sagte er. Er drehte sich um und schaute mit zusammengekniffenen Augen zur Sonne im Westen, deutete dann auf die zerborstene Ruine eines schiefen Turmes, dessen Fundament, das ohnehin nicht besonders solide gewesen war, allmählich im Schlamm und Moder des sumpfigen Flusses versank. »Bleib sitzen, wo du bist, Grumuk, bis die Sonne den Turm da drüben berührt. Machst du das? Tust du das für mich?«
»Oh, aye, M’lord. Ich bleibe hier mit meinen Gedanken sitzen, bis der Turm die Sonne frisst. Das schaffe ich, M’lord«, versicherte ihm Grumuk.
»Gut, Grumuk, sehr gut.« Bahzell klopfte dem Alten noch einmal aufmunternd auf die Schulter, drehte sich um und trabte dann in den Schatten der verfallenen Mauern, die zu der aufgegebenen Feste gehörten.
Der übliche derbe Gestank von Navahks Straßen beruhigte Bahzells angespannte Nerven. Kreischende Banden nackter Kinder
rannten zwischen den Beinen ihrer Eltern umher, ganz und gar in irgendwelche Spiele vertieft. Oder sie balgten sich um irgendwelche Leckerbissen im Abfall. Ein- oder zweimal blieb Bahzell stehen, um sie vorbeizulassen. Mit der einen Hand hielt er dabei tunlichst seine Börse am Gürtel fest, während die andere bereit war, saftige Ohrfeigen auszuteilen, an denen der Empfänger mindestens eine Woche lang Freude haben würde. Dennoch verübelte er den Kindern ihre Diebereien ebenso wenig wie den halb verhungerten Bettlern und Huren ihre Aufdringlichkeit. Huren waren in Hurgrum und auch in den anderen Ländern der Hradani selten, in Navahk jedoch hatten einfach zu viele Männer ihr Leben im Kampf gelassen.
Bahzell musste sich zwingen, gelassen weiterzugehen und nicht ständig an den Beutel und die Arbalest auf seinem Rücken zu denken. Es wurde allmählich Abend, und das Gewühl der Menschen nahm zu, als die Bauern von ihrer Arbeit auf den Feldern außerhalb der Stadtmauer zu ihren Hütten zurückströmten.
Die meisten, denen er begegnete, duckten sich schleunigst zur Seite. Sie waren daran gewöhnt, ihren Oberen aus dem Weg zu gehen, erst recht, wenn es sich bei diesem Oberen um jemanden handelte, der mehr als einen Kopf größer war als der Längste von ihnen, und dazu auch noch ein anderthalb Meter langes Schwert auf den Rücken geschnallt hatte. Bahzell war zwar froh darüber, wartete jedoch dennoch angespannt auf den ersten, herausfordernden Schrei. Immerhin hatte er hier eine bessere Chance als im Palast, falls er fliehen oder kämpfen musste – auch wenn diese Chance nicht sehr viel besser war.
Doch der Ruf eines Gardisten blieb aus, und er hatte fast das Osttor erreicht, als er zwei Frauen sah, die sich mühsam durch das Gewühl aus Menschenleibern vor ihm vorankämpften. Farmah stützte sich schwer auf die kleinere, kräftigere Haushälterin, während die scheuen Menschen einen weiten Bogen um sie zu schlagen schienen. Einige Leute blickten beklommen zur Seite, ein oder zwei dagegen wollten ihnen unwillkürlich helfen, doch Farmahs zerschlagenes Gesicht und die Palastkleidung, die sie
beide als Sklaven auswiesen, schreckte selbst den Hartgesottensten ab.
Bahzell verbiss sich eine weitere Verwünschung von Churnazh und seiner Brut, während er beobachtete, wie die Menschen vor Farmah zurückwichen – und unwillkürlich daran dachte, was in Hurgrum geschehen sein mochte. Er befand sich jedoch nicht in Hurgrum, sondern in Navahk, und deshalb wagte er es nicht, sie zu überholen und ihnen seine Hilfe anzubieten.
Es fiel ihm schwer, seine Geschwindigkeit Farmahs müdem Gang anzupassen, während ihm alle seine Instinkte sagten, ja, ihm förmlich zuschrien, dass sich die Verfolger jeden Augenblick auf den Weg machen mussten. Doch er hatte keine Wahl. Er folgte den beiden Frauen durch die enge Straße und wich geschickt dem Inhalt eines Nachttopfs aus, der aus einem Fenster im ersten Stock einer der verrufenen Kaschemmen von Navahk auf die Straße entleert wurde. Zwei weniger wache Knechte stießen wütende Verwünschungen in Richtung des unverglasten Fensters aus, als der Unrat über sie spritzte. Doch solche Missgeschicke waren hier an der Tagesordnung und zogen keine weiteren Folgen nach sich. Die Flüche der beiden verstummten sofort, als ihnen auffiel, dass sie Bahzell im Weg standen. Sie erbleichten und traten hastig zur Seite, während sich Bahzell zwischen
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