Der Schwur: Schwerter des Zorns 1 (German Edition)
besonders wachsam gewesen. Vielleicht bemerkte ja niemand etwas Auffälliges, falls irgendjemand zufällig hinschaute.
Mit einem beiläufigen Achselzucken schlüpfte der Pferdedieb durch das Tor, zog den Flügel sachte hinter sich zu und biss die Zähne zusammen, als die Angeln wieder quietschten. Den Riegel schob er nicht vor, denn erstens war das Geräusch viel zu laut, und außerdem hatte Bahzell es möglicherweise ziemlich eilig, wenn er diesen Weg zurückkam.
Hinter den wenigen erleuchteten Fenstern des Hauses schimmerte nur gedämpftes Licht. Entweder mussten sich die Bediensteten des Barons mit diesem spärlichen Licht begnügen oder sie waren ins Bett gegangen und hatten nur die Nachtbeleuchtung angelassen.
Bahzell vermutete Ersteres, was angesichts des allgemeinen Zustandes, in dem sich das Anwesen befand, auch wahrscheinlicher war, und schlug die Richtung zu dem Flügel ein, dessen hohe Flügelfenster heller leuchteten. Er hielt sich dicht an der Mauer, arbeitete sich geräuschlos vor und spitzte seine scharfen Ohren, während er sich ständig aufmerksam umsah.
Als er den Flügel erreichte, atmete er erleichtert auf, doch der schwierigste Teil lag noch vor ihm. Er konnte nicht durch die Fenster spähen, um nach Zarantha zu suchen. Erstens würde das seine Nachtsicht ruinieren, und zum anderen hob er sich dann als Silhouette viel zu deutlich vor dem Glas ab. Selbst die Männer des Barons würden einen zwei Meter dreißig großen Hradani unter solchen Umständen entdecken. Das bedeutete, er musste einfach auf gut Glück in das Haus eindringen.
Die Fenster im Erdgeschoss waren nur Schlitze, die ganz offensichtlich einem unerwünschten Eindringling das Leben schwer machen sollten. Die Fenster im ersten Stock jedoch waren breiter. Sie waren natürlich ebenfalls geschlossen und die
Hälfte war zudem mit schweren Läden verrammelt. Bahzell entdeckte jedoch eine verglaste Tür, die weder beleuchtet noch verschlossen war und auf einen kleinen Balkon hinausführte. Ihm schoss unwillkürlich der Gedanke durch den Kopf, welches Gebet jetzt wohl ein Mann murmeln würde, der etwas für Götter übrig hatte, als er seinen Dolch wieder in die Scheide steckte und hochsprang. Er erwischte ein Geländer, das sich für einen Menschen viel zu hoch über dem Boden befunden hätte.
Er zog sich an den Steinstreben hoch und knurrte, als es ihm gelang, ein Knie über den Rand des Balkons zu heben und sich über das Geländer zu rollen. Mit dem schweren Schuppenpanzer war das ein schwieriges Unterfangen, erst recht mit dem Schwert auf dem Rücken, und er machte dabei erheblich mehr Lärm, als ihm lieb war. Aber niemand schlug Alarm.
Auf dem Balkon drückte er sich an die Wand neben der Tür, überzeugte sich, dass ihn niemand gesehen hatte, und drückte die Klinke herunter. Sie war verschlossen, und der Spalt zwischen der Tür und dem Rahmen war für seinen Dolch zu schmal. Er stieß eine Verwünschung aus, zog sich die Handschuhe herunter und grub seine Dolchspitze vorsichtig in das weiche Blei, mit dem die Scheiben neben dem Riegel versiegelt waren.
Es zerrte zwar an seinen Nerven, aber er zwang sich, langsam zu arbeiten. Ihn fror an den Händen, aber nur mit bloßen Fingern konnte er sorgfältig genug arbeiten. Als die erste Scheibe in seine Handfläche fiel, bleckte er die Zähne. Er legte sie vorsichtig zur Seite und machte sich an die zweite Scheibe, die sich kurz danach aus ihrer Verankerung löste. Jetzt konnte er beide Hände durch die Öffnung schieben und an der nächsten Scheibe arbeiten. Nach fünf Minuten war die Lücke groß genug, dass er seinen Arm hindurchstecken konnte.
Er tastete den Riegel ab und fand den Verschluss. Die Tür öffnete sich gehorsam, er schlüpfte hinein und schloss sie wieder hinter sich.
Der Geruch nach Leder und Tinte verriet Bahzell, dass er in die Bibliothek eingedrungen war. Ein Lichtschein fiel unter der Tür auf der anderen Seite in das Zimmer, und er tastete sich vorsichtig
darauf zu, wobei er den Tischen und Stühlen, deren Umrisse er mehr erahnte als sah, auswich.
Die Tür war nicht verschlossen. Er öffnete sie einen winzigen Spalt und spähte hindurch in einen Flur, der ausgesprochen prächtig möbliert schien, angesichts des vernachlässigten Restes des Anwesens. In der Richtung, in die er sehen konnte, befand sich niemand, doch sein Blick fiel auf einen Spiegel an der Stirnseite der Wand. Bahzell rührte sich nicht und hielt die Tür fest.
Der Wachposten im Flur war
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