Der Schwur: Schwerter des Zorns 1 (German Edition)
Gefangenen die erschöpfteren Pferde gelassen, mehr aus Mitleid für die Tiere als für ihre
Reiter, wie Bahzell zugeben musste, und ihnen zudem Vorräte für zwei oder drei Wochen gegeben. Er selbst hatte sich die Zeit genommen, dem Anführer der überlebenden vier Wolfsbrüder eine ernste Warnung mit auf den Weg zu geben.
»Ich bin nicht gerade ein geduldiger Mann«, hatte er kalt gesagt. »Und ich sollte euch eigentlich die Kehlen durchschneiden, denn wir beide wissen, was passiert wäre, würdet ihr jetzt in meinen Schuhen stecken.« Er hatte die Furcht gesehen, die im Blick des Meuchelmörders flackerte. »Mach dir nicht in die Hose, denn ich werde es nicht tun. Aber ich will, dass du deiner elenden Loge einen Gruß von mir übermittelst.«
Er wartete und betrachtete den Meuchelmörder grimmig, bis der das Schweigen nicht mehr aushielt. »Ei… einen Gruß?« Der Mann schluckte. Bahzell nickte befriedigt.
»Aye, einen Gruß. Meiner Schätzung nach habt ihr bei dem Versuch, meine Ohren als Trophäe zu erbeuten, fast sechzig Männer verloren, und bisher hattet ihr kein Glück. Ich bin bereit, die Sache damit zu vergessen, wenn ihr es ebenfalls seid. Ruft eure Wolfsbrüder zurück, solange ihr das noch könnt. Ihr werdet feststellen, dass ihr das bisschen Gold viel zu teuer bezahlt habt, bevor ihr mich zur Strecke bringt. Und ich werde nicht mehr so gnädig sein, sollte ich zufällig noch einen einzigen Wolfsbruder auf meiner Fährte herumschnüffeln sehen.« Er lächelte eisig. »Bis jetzt habe ich mich nur selbst verteidigt. Setzt ihr die Jagd jedoch fort, werde ich den Spieß herumdrehen und euch hetzen. Aye, und eine mörderische Meute weiterer Pferdedieb-Hradani mit mir. Ich glaube nicht, dass sich die Loge lange an ihrem Gold erfreuen kann, wenn es dazu kommen sollte.«
Er warf dem leichenblassen Meuchelmörder einen letzten, finsteren Blick zu und stapfte weg. Als er jetzt daran dachte, grinste er und biss ein Stück Dörrfleisch ab. Seine Warnung mochte in den Wind geschrieben sein, aber wenigstens fühlte er sich danach viel besser.
Sie kamen schneller voran, als Bahzell geschätzt hatte. Brandark und ihm blieben noch drei Stunden Tageslicht, als sie das Schiffholz
erreichten und zwischen den Bäumen verschwanden, worüber sie sehr froh waren. Die Schatten der gewaltigen Baumriesen erstickten jedes Wachstum am Boden und verhinderten, dass sich ein undurchdringliches Dickicht in dem Wald hätte bilden können. Trotzdem wirkte er in dem öden Winter dunkel, kalt und wenig einladend.
Nach ihrem langen Ritt über die offene Steppe fühlten sie sich beengt, während sie sich mühsam durch den Wald arbeiteten. Bahzell ging voran und watete durch knöcheltiefes, feuchtes Laub. Von allen Seiten schienen ihn die Bäume mürrisch zu betrachten. Er war ein Eindringling, und sie missbilligten seine Anwesenheit.
Er versuchte diesen Gedanken beiseite zu schieben und rief sich ins Gedächtnis, wie sehr er sich nach Deckung gesehnt hatte. Es gefiel ihm gar nicht, dass er sich jetzt nach dem weiten, ungehinderten Blick über die Ebene sehnte. Dort hatte er sich zwar nackt und schutzlos gefühlt, doch gleichzeitig konnte sich wenigstens niemand unbemerkt an sie heranschleichen. Hier jedoch standen ihm die Nackenhaare zu Berge, als lauerte etwas darauf, im nächsten Augenblick zuzuschlagen, und er verwünschte seine gereizten Nerven.
Bahzell schaute unbehaglich nach oben. Im Schatten der Bäume war es dunkel, selbst im Winter, wenn die Zweige kahl waren. Doch der Himmel über dem feinen Geflecht aus Ästen und Zweigen war klar und blau. Das Prickeln auf seinem Rücken verstärkte sich jedoch, also blieb er unvermittelt stehen und schaute sich prüfend in dem feuchten, schweigenden Wald um.
»Was?« Brandarks ruhige Frage knallte wie ein Peitschenhieb in der Stille. Bahzell zuckte mit den Ohren.
»Ich bin nicht sicher«, antwortete er leise. »Aber etwas …«
Er unterbrach sich und legte die Ohren flach an den Kopf, als in den Zweigen über ihm plötzlich Wind rauschte. Bisher war es windstill gewesen, und nicht einmal die kleinste Brise hatte geweht. Er hörte, wie Brandark hinter ihm fluchte, als eine Sturmböe wie mit einer eisernen Faust durch den Wald fegte. Eben noch war alles ruhig gewesen, jetzt riss der Wind wie mit wütenden
Händen an den Bäumen. Äste knarrten und stöhnten und wehrten sich protestierend gegen diese plötzliche Gewalt. Außerdem wurde es dunkler. Das Licht verblasste jedoch nicht
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