Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schwur

Der Schwur

Titel: Der Schwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Vollenbruch
Vom Netzwerk:
ihre Freunde verloren.
    Also kratzte sie ihren ganzen Mut zusammen. »Ich möchte zum König.«
    »Zum König, so. Und was will eine Rotznase wie du beim König?«
    Sie biss sich auf die Lippe. »Ich – ich bringe eine Botschaft. Von den Wolfsmenschen.«
    Ein paar Männer wechselten rasche Blicke und die Mienen wurden noch finsterer. Der Sprecher musterte Sonja von den glatten braunen Haaren bis zu den Reitstiefeln und stellte fest: »Du siehst nicht aus wie eine von ihnen.«
    »Bin ich auch nicht. Ich – ich tu ihnen nur einen Gefallen.«
    Jemand lachte laut und höhnisch auf und verstummte wieder. Ein paar andere grinsten und dieses Grinsen gefiel Sonja noch viel weniger als das der ersten Gruppe. Es sah aus, als machten sie sich über sie lustig. »Kann ich jetzt bitte durch?«
    Der Sprecher grinste nicht und lachte auch nicht. Er betrachtete Sonja so ausdruckslos, als sei sie bloß ein Stück Holz. Dann trat er beiseite und gab seinen Männern ein Zeichen. »Du kannst passieren.«
    Während sie noch rätselte, ob das bedeutete, dass sie weiterreiten durfte, setzte Nachtfrost sich wieder in Bewegung und schritt an den Männern vorbei. Noch immer warenseine Ohren flach an den Kopf gelegt. Als einer der Männer die Hand nach der silbernen Mähne ausstreckte, bleckte Nachtfrost die Zähne und warf den Kopf hoch, und der Mann zog seine Hand schleunigst zurück.
    Nun ging es den schmalen Weg hinauf, der sich einmal um den ganzen riesigen Felsen zog. Der kalte Wind heulte und pfiff schauerlich. Ein Geländer gab es nicht; nur ein paar morsche Holzpfähle verrieten, dass früher einmal eins da gewesen war. Sonja riskierte einen Blick nach unten und wünschte sofort, sie hätte es nicht getan. Wenn sie hier abrutschten, würde nichts den Sturz bremsen, bis sie fünfzig Meter tiefer aufschlugen.
    Nachtfrost schnaubte und sie wandte den Blick eilig wieder nach vorne.
    Wenn wir oben sind, steig nicht ab , warnte er sie. Mir gefällt das hier nicht.
    »Mir auch nicht«, erwiderte sie. »Darian sagte etwas von einem weißen Schwert auf blauem Grund – aber davon sehe ich hier nichts!«
    Vielleicht sind sie alle oben. Aber ich traue diesen Männern nicht.
    »Vielleicht wären sie freundlicher, wenn Darian mir das Passwort gesagt hätte, bevor er – also – vorher.«
    Ich glaube, es ist gut, dass du es nicht weißt.
    »Was meinst du damit?«
    Er antwortete nicht, denn jetzt hatten sie den Berg einmal umrundet. Tief unter ihnen lagen die schwarzen Zelte und die Häuser, zwischen denen die Männer wie Ameisen herumliefen. Und vor ihnen lag die Festung Chiarron.
    Aus der Nähe sah sie nicht mehr wie eine schwarze Krone aus, sondern wie ein aus dem Felsen herausgewachsenes Ungeheuer aus zerklüftetem, roh behauenem schwarzemStein. Das Tor war ein aufgerissenes Maul, das nur darauf wartete, Besucher zu verschlingen. Es hatte sogar Zähne: ein Fallgitter aus schwerem Eisen in der Wölbung des Tores.
    Sonja erschauerte. Das war Darians Zuhause? Nein, da wollte sie nicht hinein! Ihre Hände krampften sich in Nachtfrosts Mähne und er blieb stehen. Ihm gefiel es hier so wenig wie ihr; seine Ohren bewegten sich nervös und er trat unruhig auf der Stelle. Schließlich aber gab er sich einen Ruck und trabte auf das Tor zu.
    Wieder traten ihnen bewaffnete Rüstungs- und Lindwurmträger in den Weg, diesmal mit Speeren. »Halt! Wer bist du? Was hast du hier zu suchen?«
    Vielleicht sollten sie in dieser Welt mal Telefone erfinden, dachte Sonja; dann hätten die Männer aus dem Tal längst hier oben Bescheid sagen können. Sie riss sich zusammen und antwortete: »Ich möchte zum König. Ich habe eine Botschaft von den Tesca … von den Wolfsmenschen.«
    »Wie ist dein Name?«
    »Ähm … Sonja. Und das hier ist –«
    »Alles klar. Du kannst durch.«
    Irgendwie war es erstaunlich, wie alle hier Nachtfrost als völlig selbstverständlich betrachteten. Waren die Boten der Göttin so alltäglich? Aber außer ihm hatte Sonja im ganzen Land noch kein Einhorn gesehen.
    Nachtfrost schnaubte. Sie sehen mich nicht. Sie sehen nur ein schwarzes Pferd mit grauer Mähne.
    »Oh! Aber ich sehe dich doch richtig!«
    Es ist sicherer so.
    Sonja kam nicht dazu, eine Antwort zu geben. Sie trabten unter dem Fallgitter hindurch und das Klappern der Hufe hallte laut von den Steinwänden des Tores wider. Dann waren sie im Hof.
    Es war kein besonders großer Hof. Hinter dem Tor war er noch so groß wie eine halbe Reithalle, aber dann kam schon der schwarze Turm,

Weitere Kostenlose Bücher