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Der Schwur

Der Schwur

Titel: Der Schwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Vollenbruch
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nicht, es laut zu sagen. Aber eine weitere Frage konnte sie stellen. »Was passiert denn jetzt? Muss ich irgendwas tun?«
    »Ich weiß nicht, was du tun musst«, sagte Eok. »Für uns brauchst du nichts zu tun; wir helfen uns selbst. Aber du hast gesagt, dass du nach Chiarron gehen willst. Da ich dich jetzt kenne, weiß ich, dass du nicht zu unseren Feinden gehörst. Und deshalb will ich dir einen Rat geben: Halte dich fern von Chiarron! Geh nicht dorthin! Es ist ein böser Ort.«
    Schlagartig war die ganze Wärme des Feuers verloren.
    »B-böse?«, stotterte Sonja. »Was meinst du damit?«
    »Ghadan und Aletheia«, sagte Eok. »Der König und die Königin der Menschen. Sie forderten auch von uns hohen Tribut, und wir zahlten ihn. Aber sie taten uns nie etwas Böses. Doch die letzte Lieferung wurde von Fremden abgeholt. Die neuen Soldaten tragen einen grauen Wurm auf ihren Schilden, und sie sind überall. Wir haben schnell gelernt, vor ihnen zu fliehen, um am Leben zu bleiben. Es ist gut, dass ihr beide nicht den leichten Weg heraufgekommen seid.«
    Sonja erschauerte. »Aber ich muss nach Chiarron«, sagte sie verzweifelt. »Ich habe es versprochen!«
    »Dann musst du es wohl tun.« Eok musterte sie ernst. »Aber du brauchst andere Kleidung. Das blaue Zeug da wird dich nicht vor der Kälte schützen. Und es riecht giftig. Zum Glück bist du so groß wie wir. Wir werden dir neue Kleider geben, in denen du dich unauffällig bewegen kannst.«
    »Danke«, murmelte Sonja.
    Eok betrachtete sie ernst. »Wer hat dich versprechen lassen, dass du nach Chiarron gehst?«
    »Eine Brückenwächterin. Asarié.«
    Eok sog scharf die Luft ein.
    »Du kennst sie?«
    »Ich habe von ihr gehört.« Nachdenklich kratzte er sich hinter dem Ohr. »Und gibt es hier jemanden, dem du vertraust?«
    »Ja, schon; Ganna und den Nomaden – und Veleria und den Wolfsmenschen, aber ich weiß nicht, wo sie sind.«
    »Ah«, sagte Eok. »Die Stämme sind ins Winterlager gezogen. Geh zu ihnen, wenn du Chiarron verlässt. Sie werden dich beschützen. Aber reite schnell – überall in der Ebene lagern Kriegstruppen.«
    Das wurde ja immer schlimmer! »Wo ist denn das Winterlager?«
    »Beim Sonnenaufgang am Fuß der hohen Berge. Wenn du den Fluss überquert hast, reite durch das Hügelland.« Eoks Blick wanderte zu Nachtfrost hin, der unbekümmert mit dem schwarzen Maul im Schnee wühlte. »Aber ich glaube, er kennt den Weg.«
    Sonja betrachtete ihr Einhorn. »Ich glaube auch. Er weiß alles! Aber er sagt mir nur sehr wenig.«
    Der kleine alte Mann kicherte. »Ja, so sind sie, die Taitharas. Voller Geheimnisse gegenüber den Sterblichen.«
    Sonja riss die Augen auf. »Du meinst – er ist unsterblich?«
    »Ich weiß nicht.« Er grinste verschmitzt. »Ich weiß nur, dass wir sterblich sind. Über die Boten der Göttin weiß ich nichts, ich weiß ja nicht einmal, ob das, was ich sehe, die wahre Gestalt ist. Ich muss das auch nicht wissen; manches Wissen ist nicht für mich bestimmt.« Sein Blick löste sich von Nachtfrost und wanderte zum Feuer.
    »Wer seid ihr?«, fragte Sonja. »Ich dachte erst, ihr wärt Elfen, aber das stimmt nicht, oder? Seid ihr Zwerge?«
    »Elfen? Zwerge? Nein. Was ist das? Wir sind das Kleine Volk. Unsere Vorfahren kamen einst aus dem Westen in dieses Land. Sie flohen vor einem schrecklichen Krieg … das ist schon sehr lange her. Einige zogen weiter, und wir wissen nicht, was aus ihnen geworden ist. Wir stammen von denen ab, die nicht mehr wandern wollten. Die Berge nahmen uns auf. Wir haben immer in den Bergen gelebt.« Er machte eine Pause. »Was du hier siehst, ist nur ein Jagdlager. Wir haben eine Stadt im Berg erbaut, fern von hier.«
    »Eine Stadt im Berg? In einer Höhle?«
    »So kannst du es nennen.« Er schien belustigt.
    »Wie heißt denn eure Stadt?«
    »Wenn du zum Tor kommst, wirst du es wissen.«
    Das war eine komische Antwort. Sonja wollte noch einmal nachfragen, aber da sprang der Wind um und wehte den Rauch des Lagerfeuers direkt zu ihr hin. Sie musste husten, und als der Rauch sie hartnäckig weiter quälte, stand sie rasch auf, um sich einen neuen Platz zu suchen. Aber Eok schien die Bewegung falsch zu verstehen und stand ebenfalls auf. »Warte noch. Bevor du gehst, bekommst du deine neue Kleidung. Komm mit!«
    Er wandte sich ab und ging zu einer der Hütten. Sonja folgte ihm. Eigentlich wollte sie noch gar nicht weiterreiten – sie wollte sich nur irgendwo hinlegen und schlafen. Aber sie traute sich nicht, Eok das

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