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Der Schwur

Der Schwur

Titel: Der Schwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Vollenbruch
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und der Hof teilte sich in zwei Straßen, die um den Turm herumliefen. Die Straße wurde von hohen Steinhäusern gesäumt, deren Dächer an der Burgmauer endeten. Eins der Steinhäuser war eine Schmiede, aus der lautes metallisches Hämmern drang; den Sinn der anderen konnte Sonja nicht erkennen.
    Leer war der Hof nicht. Rechts übte eine Gruppe von acht Männern mit ihren Schwertern, links sattelten drei andere gerade ihre Pferde. Aber alle hörten mit ihren Tätigkeiten auf, als Nachtfrost hereintrabte und mitten im Hof stehen blieb, und alle starrten ihn und Sonja an. Selbst die Wachen auf der Burgmauer schauten zu ihnen herunter.
    Jetzt sehen sie mich , sagte Nachtfrost belustigt.
    Beklommen blickte Sonja sich um. »Was soll ich nun machen?«
    Warten. Und egal, was passiert – steig nicht ab. Und halt dich fest.
    Einer der Männer vom Tor lief an ihnen vorbei über den Hof und verschwand in der Eingangstür des Turmes. Wenig später kam er wieder heraus und ging an Sonja und Nachtfrost vorbei, ohne sie anzuschauen. Sonja beachtete ihn nicht. Ihr Blick klebte an dem Mann, der nach ihm aus dem Turm trat und auf sie zuschritt.
    Es war nicht der König.
    Es war der Spürer.
    Der Spürer war eigentlich kein hässlicher Mann. Er war groß und schlank, aber kräftig. Die Lederrüstung mit dem grauen Lindwurm passte ihm wie angegossen. Im Gegensatz zu den anderen Männern hier überall hatte er seine blonden Haare und den Bart ordentlich geschnitten, undmit seinem Gesicht hätte er bestimmt gut König Arthur in einem Film spielen können – wenn da nicht seine Augen gewesen wären. Diese Augen gehörten nicht König Arthur. Sie gehörten einem Menschen, der durch und durch böse war. Schlangenaugen waren es, kalte, starrende Kugeln ohne eine Spur von Leben, und Sonja fror noch mehr, als sie dem Blick aus diesen Augen begegnete. Sie krallte die Finger in die Mähne und war froh, dass Nachtfrost sie gewarnt hatte, denn er scheute in instinktivem Widerwillen zurück und warf den Kopf hoch.
    »Ihr seid mir also in die Falle gegangen«, sagte der Spürer. Es klang nicht so, als ob er sich darüber freute – wahrscheinlich kannte er so ein Gefühl gar nicht. Er stellte nur eine Tatsache fest.
    »Ich – ich möchte zum König«, sagte Sonja und bemühte sich vergeblich um eine feste Stimme.
    »Der König ist nicht hier.«
    »Und die – und die Königin?«
    »Die Königin ist auch nicht hier.«
    »Wo sind sie denn?«
    »Es würde dir nichts nützen, wenn ich es dir sagen würde. Aber du kannst auch mit mir reden. Ich vertrete den König.« Als er das sagte, glomm in seinen Augen ein Funke von Leben auf, und Sonja merkte, wie ihr vor Angst noch kälter wurde. Nachtfrost legte die Ohren flach an den Kopf, aber diese Warnung brauchte sie nicht, um zu wissen, dass hier etwas ganz und gar falschgelaufen war.
    »Nein, danke«, sagte sie ein wenig heiser. »Ich komme später noch mal.«
    »Das glaube ich nicht«, sagte der Spürer und seine Augen waren wieder vollkommen tot. »Und zwar glaube ich es deshalb nicht, weil du hierbleiben wirst.«
    Er hob die Hand und Nachtfrost scheute wieder. Gleich darauf erklang hinter ihnen ein lautes Rasseln. Sonja fuhr herum und sah, wie das Fallgitter im Tor herabsauste. Krachend bohrten sich die eisernen Spitzen in die Löcher im Boden.
    Sie waren gefangen.
    Entsetzt schaute Sonja wieder zu dem Spürer hin. Er stand ganz ruhig da und fixierte sie aus seinen bösen Augen. »Chiarron ist der sicherste Ort für dich, Mädchen aus einer anderen Welt«, sagte er. »Glaub mir, du möchtest nicht draußen in der Steppe unterwegs sein, wenn mein Heer die Nomadenstämme angreift. Eine Schlacht ist kein schöner Anblick. Besser, du bleibst hier.«
    »Warum wollen Sie denn die Nomaden angreifen? Die haben Ihnen doch nichts getan!«
    »Nun, zum einen sind sie für das Verschwinden des rechtmäßigen Erben von Chiarron verantwortlich. So etwas kann ich ihnen nicht durchgehen lassen. Zum anderen –«
    »Aber Darian ist doch gar nicht –« Zu spät warf Nachtfrost den Kopf hoch; zu spät merkte Sonja, dass sie schon wieder geradewegs in eine Falle getappt war.
    Der Spürer verzog ein wenig die Lippen. Bei jedem anderen wäre es wahrscheinlich ein Lächeln gewesen. »Er ist gar nicht verschwunden, meinst du? So … wo ist er denn?«
    Fieberhaft dachte Sonja nach. Es war klar, dass sie ihm keineswegs sagen durfte, was mit Darian passiert war. »Ich weiß nicht, wo er ist«, sagte sie schließlich, und das

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