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Der Schwur

Der Schwur

Titel: Der Schwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Vollenbruch
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anderen kamen immer näher.
    Es gab keinen Ausweg.
    Oder doch? Sie warf einen Blick auf den Abgrund neben sich. Es war eine tiefe, zerklüftete Schlucht, eine weglose Ansammlung zerschlagener Felsen und tiefer Löcher. Wer da hineinfiel, kam nie wieder heraus. Und da hatte sie eine Idee – verzweifelt und verrückt, aber es war eine Idee.
    »Halt an!«
    Nachtfrost blieb abrupt stehen. Sonja zog das Wolfskopfamulett aus der Tasche. Als die Reiter um die Ecke bogenund die Bewaffneten von unten her zu laufen begannen, streckte sie den Arm aus und hielt das Amulett über die Schlucht. »Ich lasse es fallen!«, schrie sie – es klang jämmerlich und zittrig, also schrie sie es gleich noch einmal, und diesmal hielten die Männer an. Nachtfrost senkte den Kopf und schnupperte an seinem verletzten Bein. Er zitterte am ganzen Körper, aber vor Angst und Aufregung merkte sie es kaum.
    »Das wagst du nicht«, sagte der Anführer der Reiter in böse drohendem Tonfall. »Wenn du es fallen lässt, töten wir euch beide sofort. Nur mit dem Amulett hast du einen Wert.«
    Sonja schluckte hart und brachte die nächsten Worte kaum heraus. »Aber das Amulett habt ihr dann trotzdem nicht! Und selbst wenn ihr es findet, könnt ihr es nicht anfassen!«
    Jemand fluchte.
    Ohne Sonja aus den Augen zu lassen, befahl der Anführer: »Gervo, reite zurück. Frag nach, was wir tun sollen.«
    Sonja konnte den Angesprochenen nicht sehen, hörte aber, wie ein Pferd den Felspfad wieder hinauftrabte. Sie hielt das Amulett weiter über die Schlucht, obwohl ihr Arm schon zitterte.
    »Nachtfrost?«, flüsterte sie verängstigt.
    Er setzte das verletzte Vorderbein auf und wandte den Kopf zu ihr um. In seinen Augen lag eine Wildheit, die sie früher erschreckt hätte; jetzt fühlte sie sich plötzlich stärker.
    Es geht mir gut. Halt dich fest.
    Sie packte die Mähne und umklammerte das Amulett.
    »Fangt sie!«, brüllte der Anführer, und die Reiter trieben ihre Pferde an, während die Männer den Weg hinaufrannten. Nachtfrost bäumte sich auf, stieß sich ab – und sprang.
    Weit über ihre Köpfe hinweg.
    Krachend landete er auf dem schmalen Pfad, fing sich und jagte in halsbrecherischem Galopp weiter. Sonja warf einen Blick zurück. Auf dem Felspfad herrschte Chaos – die Männer aus den Zelten versuchten, den Berittenen auszuweichen, einige Reiter hielten ihre Pferde an, aber drei von ihnen trieben die Tiere vorwärts und stießen die anderen zur Seite.
    Nachtfrost erreichte das Ende des Pfades und galoppierte zwischen den schwarzen Zelten hindurch. Ein Mann mit wutverzerrtem Gesicht tauchte vor ihnen auf und verschwand wieder, als hätte ein Sturmwind ihn weggefegt. Sonja schaute nicht mehr zurück. Die silberne Mähne peitschte ihr ins Gesicht und sie beugte sich tief über Nachtfrosts Hals.
    In rasendem Tempo ging es durch das Tal und dann bergab zwischen den Bäumen hindurch. Dann sammelte sich das Einhorn, seine Galoppsprünge wurden kürzer und kräftiger, und Sonja sah vor sich eine glatte weiße Fläche – einen zugefrorenen Fluss. Mit einem riesigen Satz sprang Nachtfrost von der Böschung und landete auf dem Eis. Es krachte, er rutschte, fing sich aber sofort wieder und jagte weiter. Bei jedem Galoppsprung krachte und brach das Eis. Sonja warf einen Blick über die Schulter. Was vorher eine glatte Fläche gewesen war, war nun ein Chaos aus kippenden Eisschollen, die vom fließenden Wasser mitgerissen wurden. Als Nachtfrost das jenseitige Ufer erreichte, brach das letzte Stück Eis unter ihm weg, und die übrigen paar Schritte trabte er durch schwarzes, schnell fließendes Wasser. Er kletterte die Böschung hoch und hielt an.
    Noch einmal schaute Sonja zurück. Am anderen Ufer standen die drei Reiter, die wütend mit Schwertern undSpeeren fuchtelten. Doch den Fluss konnte jetzt niemand mehr überqueren. Nach einer kurzen Pause wendeten die Reiter ihre Pferde und verschwanden im Wald.
    Sonja rutschte von Nachtfrosts Rücken in den Schnee. Ihre Beine gaben nach und sie hockte erst einmal nur zitternd im Schnee. Ihr war schlecht, ihr Magen tat entsetzlich weh, und nach der gerade überstandenen Angst schlotterte sie am ganzen Körper.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis sie wieder aufstehen konnte. Sie zog schniefend die Nase hoch, erschauerte im kalten Wind und untersuchte Nachtfrosts Bein. Das schwarze Fell war blutverkrustet, aber sie konnte keine Wunde mehr finden.
    Nachtfrost hatte still neben ihr gestanden; jetzt wandte er den Kopf und

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