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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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liegen.«
    »Ist es wirklich der Schwager von …?«
    »Sicher! … kennt ihn ganz genau … seit zwei Jahren am Shayansee … genau erkundigt … bloß Flowing-wells, baut aber jetzt auch große Pumping-wells mit Dampfbetrieb.«
    »Wird ein feines Geschäft … nur keiner überleben, sonst … daß die Sache an den Tag kommt.«
    Jetzt erhob sich in der Schenk-und Ladenstube abermals ein greulicher Lärm, so daß ich kein weiteres Wort verstehen konnte, und dann verließen die beiden den Hof. Von wem und was hatten sie sich unterhalten? Je mehr ich über das Gehörte nachdachte, desto verdächtiger kam es mir vor. Es sollte etwas nicht an den Tag kommen, und darum sollte keiner leben bleiben. Hatte man es etwa auf einen Oelprinzen abgesehen? Wessen Schwager war dieser? Was hatte es für eine Bewandtnis mit dem Goldstaub und den Nuggets? Hatte ich es mit einer Bande Pferdediebe zu thun? Oder trieben diese als Fallensteller maskierten Leute etwa gar das Handwerk von Bushheaders, welche besonders gern einsame Farmen oder Reisende überfallen, welche mit Goldsand aus Kalifornien über die Berge herüberkommen. Indem ich mir Mühe gab, über das Belauschte ins Klare zu kommen, hörte ich draußen auf dem Platze ein lautes Rufen:
    »Ein Roter, ein Roter, ein Häuptling kommt!«
    Dieser Ruf wurde auch im Store vernommen, und alle dort Anwesenden eilten hinaus, um den Indianer zu sehen. Ich that dasselbe und sah wirklich das »tödliche Feuer« bereits die Anhöhe heraufkommen. Er war ganz allein, draußen aber, wohl eine englische Meile entfernt, hielten drei Reiter mitten auf einer lichten Stelle, von welcher aus man das Fort im Auge haben konnte.
    Der Häuptling sah heut ganz anders aus. Sein prächtig aufgezäumter Rappe trug eine langwallende Mähne und schleifte den Schweif fast an der Erde hin. Der Reiter hatte sein Haar zu einem helmartigen Schopfe gewunden, in welchem drei Adlerfedern, die Zeichen der Häuptlingswürde, steckten. Die Nähte seiner Leggins und seines Jagdhemdes waren ganz mit dem Haar erlegter Feinde befranst; an seinem Gürtel hingen nicht weniger als dreizehn in Zöpfe geflochtene Skalpe schuppenartig neben einander, und sein Mantel bestand ganz aus dem köstlichen Felle der gelben Ratte, die jetzt fast ausgestorben ist. Bewaffnet war er mit Messer, Tomahawk, doppelläufiger Büchse nebst Bogen und Köcher.
    Als er durch das Thor einritt, eilte ihm alles entgegen. Er trug zwar nicht die Kriegsfarben im Gesicht, aber das Kommen eines Tetong war jetzt unter allen Umständen bedeutungsvoll.
    Ich trat an sein Pferd heran und streckte ihm die Hand entgegen.
    »
Hos takh-shon enokh
– guten Morgen!« grüßte er einfach. »Ich komme allein. Erhält das tödliche Feuer freies Geleit?«
    »Ja,« antwortete ich. »Man hat es mir versprochen.«
    »Mein Bruder glaube nicht alles, was man sagt! Der Häuptling der Tetongs wird seine Waffen nicht ablegen.«
    Da trat derselbe Unteroffizier herbei, welcher mich benachrichtigt hatte, und sagte dem Tetong, daß er im Beratungssaale erwartet werde, vorher aber die Waffen abzulegen habe. Der Häuptling würdigte ihn keines Blickes, sondern wendete sich an mich:
    »Wo ist dieser Ort?«
    »Ich werde dich führen,« antwortete ich ihm.
    »Halt!« gebot der Unteroffizier. »Der Zutritt ist außer dem Häuptling einem jeden andern verboten.«
    Auch ich sagte kein Wort, sondern nahm den Rappen beim Zügel und führte ihn nach dem Beratungssaale. Dieser war nichts anders als die Turnhalle der Mannschaft, in die man jetzt einige Stühle gesetzt hatte. Der Häuptling sprang vom Pferde und trat ein; der Unteroffizier aber meinte zu mir:
    »Ich habe Befehl, das Pferd des Roten fortzubringen!«
    »Es gehört mir!« antwortete ich und führte das Tier nach dem Store, wo ich es an einen Haken band.
    Nun holte ich meine Gewehre aus meiner bisherigen Wohnung und hing sie über. Jetzt war ich auf alles vorbereitet und wartete.
    Eine Wache von vier Mann hielt am Eingange zur Halle Wacht, und an der andern Seite des Platzes hielten noch sechs Mann sich bereit, auf einen Wink zu Hilfe zu eilen. Man plante einen Verrat, aber ich war entschlossen, den Häuptling zu verteidigen. Ich hatte ein Messer, zwei sechsschüssige Revolver, eine geladene Doppelbüchse und einen fünfundzwanzigschüssigen Henrystutzen; wenn es mir gelang, den Saal abzusperren, so war ich meines Sieges gewiß.
    So wartete ich wohl eine halbe Stunde, da erscholl im Saale ein Pfiff; die vier Mann Wache traten sofort

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