Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
den Menschenknäuel hinein, und nun gebrauchte ich den Kolben meiner Büchse ebenso kräftig wie die Hufe meines braven Tieres.
Der Indianer hatte sich verteidigt, war aber von der Menge in seinen Bewegungen gehemmt, gedrückt und niedergerissen worden. Er wehrte sich noch am Boden mit aller Kaltblütigkeit eines Indsman. Meine Hiebe machten ihm Luft. Er schnellte empor, mit der Büchse wieder in der Hand, die ihm entfallen war; ihr Kolben krachte auf die Köpfe der Angreifer nieder. Alles schrie und brüllte durcheinander; Messerklingen blitzten, Revolverschüsse knatterten; ich blieb unversehrt und rief dem Häuptling zu:
»
To-ok kava
– spring aufs Pferd!«
Er verstand mich trotz des Geheules rund umher und flog zu seinem Rappen, welcher, scheu geworden, mit allen vieren um sich schlug. Mit einem Satze schwang er sich auf.
»
Usta nai
– komm, mir nach!«
Mit diesen Worten trieb ich mein Pferd zum Sprunge an; er that dasselbe durch den einfachen Schenkeldruck, da er die herabhängenden Zügel noch nicht hatte fassen können. Er stieß den gellenden Triumphschrei der Sioux aus und dann schossen wir davon, über den Platz hinweg und auf das Thor zu. Es war verschlossen, aber seitswärts waren die Planken niedriger.
»
Hi – ho – hi!
« rief er und flog hinüber, ich ihm nach.
Ein vielstimmiger Schrei des Erstaunens erscholl, dann rasten unsre Tiere die Anhöhe hinab und in die Ebene hinein. Niemand folgte uns, und so ließen wir die Pferde bald langsamer gehen, obgleich es keine Schande ist, unter solchen Umständen lieber die Flucht zu ergreifen als sich niederschießen zu lassen. – – –
2. Teil
Der rote Olbers
Und wieder saß ich eines Abends beim Lagerfeuer, doch nicht allein, denn mein Pferd weidete ganz in meiner Nähe. Es ist immer eine Beruhigung, ein gutes Tier bei sich zu haben, da dasselbe oft schärfere Sinne hat als selbst der geübteste Jäger. Ein Mustang wittert die Annäherung eines jeden feindseligen Wesens und thut dies dem Besitzer durch ängstliches Schnauben kund.
Ich hatte die Gegend von Fort Cast verlassen und befand mich jetzt am östlichen Arme des Bighorn, um von da über die Dark-hills hinüber zu gehen nach den Wassern des Tonque, an denen mich Winnetou, der Häuptling der Apachen, erwartete.
Als ich mit dem »tötenden Feuer« aus dem Fort geritten war, hatten wir nicht die mindeste Verfolgung bemerkt und waren auf die drei Vorposten gestoßen, ohne weiter belästigt worden zu sein. Von da ritten wir am Flusse aufwärts und trafen bald auf die Schar der Tetongs, welche ihren Anführer mit Ungeduld erwartete.
Es wurde sofort eine Beratung gehalten. Der Häuptling erzählte, was ihm geschehen war, und alle waren ergrimmt und bereit, diese neue Treulosigkeit zu rächen.
»Ja, sie soll gerochen werden,« sagte das tötende Feuer, »aber meine Brüder werden erkennen, daß die Bleichgesichter, welche bunte Kleider tragen, jetzt gewarnt sind und uns erwarten. Wir werden daher eine Zeit vergehen lassen, bis sie vergessen haben, aufmerksam zu sein. Aber unsere Tomahawks müssen trotzdem aus dem Gürtel gezogen werden. Der Mann mit dem halben Gesichte hat gesagt, man solle den Häuptling der Tetongs mit Teer und Federn beschmieren; er hat mich ergriffen und geschlagen; er und seine Männer, sie sollen die Hand der roten Krieger fühlen.«
Es wurde nun beschlossen, durch einige geschickte Kundschafter das Fort bewachen zu lassen, um zu sehen, wann die Fallensteller es verlassen würden; dann wollte man ihnen nach, um sie zu züchtigen.
Ich war bei dieser Beratung nicht anwesend, sondern der Häuptling teilte mir das Resultat derselben mit. Ich hatte nicht die Macht, den Beschluß der Indianer zu ändern, und da ich nicht Lust hatte, ihrem Angriffe auf die Weißen beizuwohnen, so blieb ich nur einen Tag bei ihnen und brach dann auf, um Winnetou aufzusuchen.
Ich ritt am Flusse aufwärts und folgte dann dem rechten Oberlauf desselben. Nach einem zweitägigen Ritte befand ich mich nun an meinem heutigen Lagerplatze und wollte morgen nach Osten biegen, um über die Dark-hills zu gehen.
Meine Abendmahlzeit hatte ich gehalten und ließ nun, da es nicht kühl war und ich hier von Mücken nicht belästigt wurde, mein Feuer ausgehen. Ich war ermüdet und stand eben in Begriff, einzuschlafen, als mein Pferd auf jene Weise schnaubte, welche die Anwesenheit von etwas Verdächtigem melden soll. Ich lauschte, konnte aber nichts bemerken, trotzdem der Mustang das Schnauben
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