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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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auch mir die Hand. Old Death drückte sie ihm noch einmal und sagte:
    »Und wenn Ihr nun noch im Zweifel seid, ob wir Euer Vertrauen verdienen oder nicht, so will ich mich an Euern Sohn wenden, welcher mir bezeugen wird, daß ich kein Mißtrauen verdiene.«
    »Mein Sohn, der Will?« fragte Lange erstaunt.
    »Ja, er und kein Anderer. Ihr sagtet, daß er sich mit Old Death unterhalten habe und noch jedes Wort genau wisse. Wollt Ihr mir wohl mittheilen, junger Mann, was da gesprochen worden ist? Ich interessire mich sehr lebhaft dafür.«
    Jetzt antwortete Will, an den die Frage gerichtet war, in lebhaftem Tone:
    »Als Old Death uns auf den Weg brachte, schritt er voran. Ich hatte einen Streifschuß in den Arm bekommen, welcher mich sehr schmerzte, denn ich war nicht verbunden worden und der Aermel war an der Wunde festgeklebt. Wir gingen durch ein Gebüsch. Old Death ließ einen starken Ast hinter sich schnellen, welcher meine Wunde traf. Das that so wehe, daß ich einen Schmerzensruf ausstieß, und – – –«
    »Und da nannte der Pfadfinder Euch einen Esel!« fiel Old Death ein.
    »Woher wißt Ihr das?« fragte Will erstaunt.
    Der Alte fuhr, ohne zu antworten, fort:
    »Darauf sagtet Ihr ihm, daß Ihr einen Schuß erhalten hättet, dessen Wunde entzündet sei, und er rieth Euch, den Aermel mit Wasser aufzuweichen und dann fleißig die Wunde mit dem Safte von
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3 zu kühlen, wodurch der Brand verhütet werde.«
    »Ja, so ist es! Wie könnt Ihr das wissen, Sir?« rief der junge Lange überrascht.
    »Das fragt Ihr noch? Weil ich es selbst bin, der Euch diesen guten Rath gegeben hat. Euer Vater sagte vorhin, ich könne mich recht gut mit Old Death vergleichen. Nun, er hat sehr Recht, denn ich gleiche dem alten Kerl freilich so genau, wie eine Ehefrau der Gattin gleicht.«
    »So – so – so seid Ihr es selber?« rief Will erfreut, indem er von seinem Stuhle aufsprang, und mit ausgebreiteten Armen auf Old Death zueilte; aber sein Vater hielt ihn zurück, zog ihn mit kräftiger Hand auf den Stuhl nieder und sagte:
    »Halt, Junge! Wenn es sich um eine Umarmung handelt, so hat der Vater das erste Recht und zunächst die Pflicht, Deinem Retter die Vorderpranken um den Hals zu legen. Das wollen wir aber unterlassen, denn Du weißt, wo wir uns befinden, und wie man auf uns achtet. Bleib’ also ruhig sitzen!« Und sich zu Old Death wendend, fuhr er fort: »Nehmt mir diesen Einspruch nicht übel, Sir! Ich habe meine guten Gründe dafür. Hier ist nämlich der Teufel los. Daß ich Euch dankbar bin, dürft Ihr mir glauben, aber gerade darum bin ich verpflichtet, Alles zu vermeiden, was Euch in Gefahr bringen kann. Ihr seid, wie ich weiß und oft gehört habe, als Parteigänger der Abolitionisten bekannt. Ihr habt während des Krieges Coups ausgeführt, welche Euch berühmt gemacht, den Südländern aber großen Schaden gebracht haben. Ihr seid Heerestheilen des Nordens als Führer und Pfadfinder beigegeben gewesen und habt sie auf Wegen, auf welche sich kein Anderer gewagt hätte, in den Rücken der Feinde geführt. Wir haben Euch deßhalb hoch geehrt; die Südländer aber nannten Euch und nennen Euch heut’ noch einen Spion. Ihr wißt wohl, wie jetzt die Sachen stehen. Gerathet Ihr in eine Gesellschaft von Sezessionisten, so lauft Ihr Gefahr, aufgeknüpft zu werden.«
    »Das weiß ich sehr wohl, Master Lange; ich mache mir aber nichts daraus,« entgegnete Old Death äußerst kühl. »Ich habe zwar keine Leidenschaft dafür, aufgehangen zu werden, aber man hat mir schon oft damit gedroht, ohne es wirklich fertig zu bringen. Erst heut’ wollte eine Bande von Rowdies uns Beide an den Schornstein des Dampfers hängen; auch sie sind nicht dazu gekommen.« Und Old Death erzählte den Vorfall auf dem Dampfer. Als er geendet hatte, meinte Lange sehr nachdenklich:
    »Das war sehr brav von dem Capt’n, aber auch gefährlich für ihn. Er bleibt bis morgen früh hier in La Grange, die Rowdies aber kommen vielleicht noch während der Nacht hierher, dann kann er sich auf ihre Rache gefaßt machen. Und Euch ergeht es dann vielleicht noch schlimmer.«
    »Pah! Ich fürchte diese paar Menschen nicht. Habe bereits mit andern Kerlen zu thun gehabt.«
    »Seid nicht allzu sicher, Sir! Die Rowdies werden hier ganz bedeutende Hilfe bekommen. Es ist in La Grange seit einigen Tagen nicht ganz geheuer. Von allen Seiten kommen Fremde, welche man nicht kennt, und die in allen Winkeln und an allen Ecken beisammen stehen und heimlich thun.

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