Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
alle Ehre machte. Vor allen Dingen lag mir daran, zu erfahren, welches Vorwandes er sich bediente, William so mit sich herum zu führen. Dieser Vorwand mußte für den Geisteskranken ein sehr verlockender sein und mit dessen fixer Idee, eine Tragödie über einen wahnsinnigen Dichter schreiben zu müssen, in naher Verbindung stehen. Vielleicht hatte Ohlert sich auch darüber gegen den Schmied ausgesprochen. Darum fragte ich den Letzteren:
»Welcher Sprache bediente sich dieser junge Mann während des Gespräches mit Euch?«
»Er redete Deutsch und sprach sehr viel von einem Trauerspiel, das er schreiben wollte, es sei aber nöthig, daß er Alles das, was in jenem enthalten sein solle, auch selbst vorher erlebe.«
»Das ist ja gar nicht zu glauben!«
»Nicht? Da bin ich ganz anderer Meinung, Sir! Die Verrücktheit besteht ja grad darin, Dinge zu unternehmen, die einem vernünftigen Menschen gar nicht in den Sinn kommen. Jedes dritte Wort war eine Sennorita Felisa Perilla, die er mit Hilfe seines Freundes entführen müsse.«
»Das ist ja wirklich Wahnsinn, der reine Wahnsinn! Wenn dieser Mann die Gestalten und Begebenheiten seines Trauerspieles in die Wirklichkeit überträgt, so muß man das unbedingt zu verhindern suchen. Hoffentlich ist er noch hier in La Grange?«
»Nein. Er ist fort, gestern abgereist. Er ist eben mit Sennor Cortesio nach Hopkins Farm, um von da nach dem Rio grande zu gehen.«
»Das ist unangenehm, höchst unangenehm! Wir müssen schleunigst nach, wo möglich noch heute. Wißt Ihr vielleicht, ob man hier zwei gute Pferde zu kaufen bekommen kann?«
»Ja, eben bei Sennor Cortesio. Er hat immer Thiere, jedenfalls, um sie den Leuten abzulassen, welche er für Juarez anwirbt. Aber von einem nächtlichen Ritte möchte ich Euch doch abrathen. Ihr kennt den Weg nicht und bedürft also eines Führers, den Ihr für heute wahrscheinlich nicht mehr bekommen werdet.«
»Vielleicht doch. Wir werden Alles versuchen, heute noch fortkommen zu können. Vor allen Dingen müssen wir mit Cortesio sprechen. Es ist zehn Uhr vorüber, und da er um diese Zeit zu Hause sein wollte, so möchte ich Euch bitten, uns jetzt seine Wohnung zu zeigen.«
»Gern. Brechen wir also auf, wenn es Euch beliebt, Sir!«
Als wir aufstanden, um zu gehen, hörten wir Hufschlag vor dem Hause, und einige Augenblicke später traten neue Gäste in die vordere Stube. Zu meinem Erstaunen und nicht mit dem Gefühle der Beruhigung erkannte ich diese Leute, neun oder zehn der Sezessionisten, welchen der Kapitän heute so schöne Gelegenheit gegeben hatte, sich an das Ufer zu retten. Sie schienen mehreren der anwesenden Gäste bekannt zu sein, denn sie wurden von denselben lebhaft begrüßt. Wir hörten aus den hin und her fliegenden Fragen und Antworten, daß sie erwartet worden waren. Sie wurden zunächst so in Beschlag genommen, daß sie keine Zeit fanden, auf uns zu achten. Das war uns auch sehr lieb, denn es konnte keineswegs unser Wunsch sein, ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Darum setzten wir uns einstweilen wieder nieder. Wären wir jetzt gegangen, so hätten wir an ihnen vorüber gemußt, und diese Gelegenheit hätten sie ganz sicher benutzt, mit uns anzubinden. Als Lange hörte, wer sie waren, stieß er die Verbindungsthüre so weit zu, daß sie uns nicht sehen, wir aber Alles hören konnten, was gesprochen wurde. Außerdem tauschten er und die Andern mit uns die Plätze, so daß wir mit dem Rücken nach der vorderen Stube saßen und die Gesichter von derselben abgewendet hatten.
»Es ist nicht nothwendig, daß sie Euch sehen,« meinte der Schmied. »Denn schon früher herrschte eine für uns nicht eben günstige Stimmung da draußen. Bemerkten sie Euch, die sie für Spione halten und heute schon aufknüpfen wollten, so wäre der Krawall sofort fertig.«
»Das ist ganz gut,« antwortete Old Death. »Aber meint Ihr etwa, daß wir Lust haben, hier sitzen zu bleiben, bis sie sich entfernt haben? Dazu ist keine Zeit vorhanden, da wir unbedingt zu Cortesio müssen.«
»Das könnt Ihr, Sir! Wir gehen einen Weg, auf welchem sie uns nicht sehen.«
Old Death schaute sich in dem Zimmer um und sagte dann: »Wo wäre das? Wir können ja nur durch die Vorderstube.«
»Nein. Da hinaus haben wir es viel bequemer.«
Er deutete nach dem Fenster.
»Ist das Euer Ernst?« fragte der Alte. »Ich glaube gar, Ihr fürchtet Euch! Sollen wir uns französisch empfehlen wie Mäuse, welche aus Angst vor der Katze in alle Löcher kriechen? Man würde
Weitere Kostenlose Bücher