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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wie wenn man sich über ein unliebsames Thema unterhalten hätte.
    Als wir uns niedersetzten, rückten sie zusammen, so daß zwischen ihnen und uns ein freier Raum entstand, ein leiser Wink, daß sie nichts von uns wissen wollten.
    »Bleibt immerhin sitzen, Mesch’ schurs!« sagte Old Death. »Wir werden Euch nicht gefährlich, wenn wir auch seit heut’ früh fast gar nichts gegessen haben. Vielleicht könnt Ihr uns sagen, ob man hier etwas Genießbares bekommen kann, was Einem die liebe Verdauung nicht allzu sehr maltraitirt?«
    Der Eine, den ich für den Vater des Andern hielt, kniff das rechte Auge zusammen und antwortete lachend:
    »Was das Verspeisen unserer werthen Personen betrifft, Sir, so würden wir uns wohl ein Wenig dagegen wehren. Uebrigens seid Ihr ja der reine Old Death, und ich glaube nicht, daß Ihr den Vergleich mit ihm zu scheuen brauchtet.«
    »Old Death? Wer ist denn das?« fragte mein Freund mit möglichst dummem Gesicht.
    »Jedenfalls ein berühmteres Haus als Ihr, ein Westmann und Pfadfinder, der in jedem Monate seines Herumstreichens mehr durchgemacht hat, als tausend Andere seit ihres ganzen Lebens. Mein Junge, der Will, hat ihn gesehen.«
    Dieser »Junge« war vielleicht sechsundzwanzig Jahre alt, tief gebräunten Angesichtes, und machte den Eindruck, als ob er es gern und gut mit einem halben Dutzend Anderer aufnehmen würde. Old Death betrachtete ihn von der Seite her und fragte:
    »Der hat ihn gesehen? Wo denn?«
    »Im Jahre Zweiundsechzig, droben in Arkansas, kurz vor der Schlacht bei Pea Ridge. Doch werdet Ihr von diesen Ereignissen wohl kaum etwas wissen.«
    »Warum nicht? Bin oft im alten Arkansas gewandert und glaube, um die angegebene Zeit nicht weit von dort gewesen zu sein.«
    »So? Zu wem habt Ihr Euch denn damals gehalten, wenn man fragen darf? Die Verhältnisse liegen jetzt und in unserer Gegend so, daß man die politische Farbe eines Mannes, mit welchem man an einem Tische sitzt, genau kennen muß.«
    »Habt keine Sorge, Master! Ich vermuthe, daß Ihr es nicht mit den besiegten Sklavenzüchtern haltet, und bin vollständig Eurer Meinung. Daß ich übrigens nicht zu dieser Menschensorte gehöre, konntet Ihr daraus ersehen, daß ich deutsch spreche!«
    »Seid uns willkommen. Aber irrt Euch nicht, Sir! Die deutsche Sprache ist ein trügerisches Erkennungszeichen. Es gibt im andern Lager auch Leute, welche mit unserer Muttersprache ganz leidlich umzugehen wissen und dies benutzen, um sich in unser Vertrauen einzuschleichen. Das habe ich zur Genüge erfahren. Doch wir sprachen von Arkansas und Old Death. Ihr wißt vielleicht, daß dieser Staat sich beim Ausbruche des Bürgerkrieges für die Union erklären wollte. Es kam aber unerwartet ganz anders. Viele tüchtige Männer, denen das Sklaventhum und ganz besonders das Gebahren der Südbarone ein Gräuel war, thaten sich zusammen und erklärten sich gegen die Sezession. Aber der Mob, zu dem ich natürlich auch diese Barone rechne, bemächtigte sich schleunigst der öffentlichen Gewalt; die Verständigen wurden eingeschüchtert, und so fiel Arkansas dem Süden zu. Es verstand sich ganz von selbst, daß dies besonders unter den Einwohnern deutscher Abstammung eine große Erbitterung erweckte. Sie konnten aber vor der Hand nichts dagegen thun und mußten es dulden, daß namentlich die nördliche Hälfte des schönen Landes unter den Folgen des Krieges außerordentlich zu leiden hatte. Ich wohnte in Missouri, in Poplar Bluff, nahe der Grenze von Arkansas. Mein Junge, der da vor Euch sitzt, war, wie sich ganz von selbst versteht, in eins der deutschen Regimenter getreten. Man wollte den Unionisten in Arkansas zu Hilfe kommen und schickte eine Abtheilung zur Kundschaftung über die Grenze. Will war bei diesen Leuten. Sie trafen unversehens auf eine erdrückende Uebermacht und wurden nach verteufelter Gegenwehr überwältigt.«
    »Also kriegsgefangen? Das war damals freilich schlimm. Man weiß, wie die Südstaaten es mit ihren Gefangenen trieben, denn von hundert derselben starben mindestens achtzig an schlechter Behandlung. Aber direct ging es doch nicht an’s Leben?«
    »Oho! Da seid Ihr gewaltig auf dem Holzwege. Die braven Kerle hatten sich wacker gehalten, alle ihre Munition verschossen und dann noch mit Kolben und Messer gearbeitet. Das ergab für die Sezessionisten gewaltige Verluste, und darüber erboßt, entschlossen sie sich, die Gefangenen über die Klinge springen zu lassen. Will war mein einziger Sohn, und ich stand also

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