Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
altgriechischen Heldenthumes dabei vorhanden sei, und das ließ mir das Herz höher schlagen. Daß es sehr traurig ist, über seinen Nebenmenschen herfallen zu müssen, daran dachte ich nicht. Old Death erzählte, was wir belauscht und gethan hatten, und erklärte ihnen dann seinen Plan. Ich sollte als Locksmith hinter den Stall gehen, um die Kukluxer herein zu holen. Er wollte die Verkleidung des Capt’ns, welche grad für seine Länge paßte, anlegen und den Anführer spielen. »Es versteht sich von selbst,« fügte der Scout hinzu, »daß nur leise gesprochen wird, und beim Flüstern sind alle Stimmen gleich.«
»Nun, wenn Ihr es wagen wollt, so thut es!« sagte Lange. »Ihr tragt nicht unsere Haut zu Markte, sondern Eure eigene. Was aber sollen wir inzwischen thun?«
»Zunächst leise hinausgehen und einige starke Pfähle oder Stangen hereinholen, welche wir gegen die Kammer-oder Stubenthüre stemmen, damit diese nicht von innen geöffnet werden kann. Sodann verlöscht Ihr die Lichter und versteckt Euch im Hause. Das ist Alles, was Ihr zu thun habt. Was dann noch geschehen muß, läßt sich jetzt noch nicht bestimmen.«
Vater und Sohn gingen in den Hof, um die Pfähle zu holen. Inzwischen nahmen wir den beiden Gefangenen ihre Verkleidungen ab. Dieselben waren schwarz und trugen weiße, aufgenähte Abzeichen. Diejenige des Capt’ns war an Kapuze, Brust und Oberschenkeln mit einem Dolch, die des Locksmith an denselben Stellen mit Schlüsseln versehen. Der Dolch war also das Abzeichen des Anführers. Derjenige, welcher in der Schenke saß, um unsern Aufenthaltsort zu erfahren, war »Schnecke« genannt worden. Er trug also wohl vorkommenden Falls eine mit Schnecken ausgezeichnete Verkleidung. Eben als wir dem Capt’n seine Hose, welche den Schnitt der Schweizer Wildheuerhosen hatte und über dem eigentlichen Beinkleid befestigt war, vom Leibe zogen, erwachte er. Er blickte wirr und erstaunt umher und machte dann eine Bewegung, aufzuspringen, wobei er nach der Leibesgegend griff, in welcher sich vorher die Tasche mit dem Revolver befunden hatte. Old Death aber drückte ihn schnell wieder nieder, hielt ihm die Spitze des Bowiemessers auf die Brust und drohte:
»Ruhig, mein Junge! Nur einen unerlaubten Laut oder eine Bewegung, so fährt Dir dieser schöne Stahl in den Leib!«
Der Kuklux war ein Mann im Anfange der Dreißiger mit militärisch geschnittenem Bart. Sein scharf geschnittenes, dunkel angehauchtes und ziemlich verlebtes Gesicht ließ einen Südländer in ihm vermuthen. Er griff sich mit den beiden Händen an den schmerzenden Kopf, wo ihn der Hieb getroffen hatte, und fragte: »Wo bin ich? Wer seid Ihr?«
»Hier wohnt Lange, den Ihr überfallen wolltet, Boy. Und ich und dieser junge Mann sind die Deutschen, deren Aufenthalt die ›Schnecke‹ erkunden sollte. Du siehst, daß Du Dich da befindest, wohin Deine Sehnsucht Dich trieb.«
Der Mann kniff die Lippen zusammen und ließ einen wilden, aber erschrockenen Blick umherschweifen. In diesem Augenblick kam Lange mit seinem Sohne zurück. Sie brachten einige Stangen und eine Säge mit. »Material zum Binden ist da, ausreichend für zwanzig Mann,« antwortete der Erstere.
»So gebt her, einstweilen nur für diese Beiden.«
»Nein, binden lasse ich mich nicht!« ried der Capt’n, indem er abermals versuchte, sich aufzurichten. Aber da hielt ihm Old Death wieder das Messer vor und sagte:
»Wage es ja nicht, Dich zu rühren! Jedenfalls hat man vergessen, Dir zu sagen, wer ich bin. Man nennt mich Old Death, und Du wirst wissen, was das zu bedeuten hat. Oder meinst Du gar, daß ich ein Freund der Sklavenzüchter und Kukluxer sei?«
»Old – Old Death seid Ihr!« stammelte der Capt’n auf’s höchste erschrocken.
»Ja, mein Junge, der bin ich. Und nun wirst Du Dir keine unnützen Einbildungen machen. Ich weiß, daß Du den jungen Lange aufknüpfen und seinen Vater bis auf die Knochen peitschen lassen wolltest, um dann dieses Haus in Brand zu stecken. Wenn Du noch irgend welche Nachsicht erwartest, so kannst Du sie nur dann haben, wenn Du Dich in Dein Schicksal ergibst.«
»Old Death, Old Death!« wiederholte der leichenblaß gewordene Mann. »Dann bin ich verloren!«
»Noch nicht. Wir sind nicht ruchlose Mörder wie Ihr. Wir werden Euer Leben schonen, wenn Ihr Euch uns ohne Kampf ergebt. Thut Ihr das nicht, so wird man morgen Eure Leichen in den Fluß werfen können. Ich theile Dir jetzt mit, was ich Dir zu sagen habe. Handelst Du darnach, so mögt
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