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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gar nichts sagen! Und Ihr müßt auch noch bedenken, daß der Capt’n länger ist als der Andere. Macht Eurem Lehrer Ehre, Sir, und laßt Euch von denen da drin nicht auslachen! Also vorwärts! Wartet aber auf meinen Ruf!«
    Er schob sich wieder fort von mir, und ich kroch dahin zurück, wo ich vorhin gelegen hatte, ja, ich näherte mich dem Capt’n noch weiter und zog die Knie an den Leib, um mich augenblicklich aufrichten zu können. Ich gestehe, daß das Gefühl, welches ich jetzt hatte, gar nicht als ein seliges bezeichnet werden kann. Zum ersten Male in meinem Leben sollte ich einen Menschen wirklich feindlich überfallen, sollte ihn »bei der Gurgel« nehmen, was sehr leicht seinen Tod zur Folge haben kann. Und gelang der Ueberfall nicht, so war es sehr wahrscheinlich, daß eine sehr kleine Revolverkugel vor sehr großen Folgen für mich wurde. Ich befand mich ungefähr in der Stimmung eines Schulknaben, welcher eine Gedächtnißaufgabe hersagen soll und nicht genau weiß, ob er stolpern werde oder nicht. Aber ich dachte an die sieben Männer, welche Old Death abgerathen hatten, mich mitzunehmen, und beschloß, mich keinesfalls von ihnen auslachen zu lassen. Die beiden Kukluxer setzten ihre Unterhaltung fort, welche für uns nichts Wichtiges mehr enthielt. Sie sprachen ihren Aerger darüber aus, daß sie und ihre Gefährten so lange zu warten hatten. Dann erwähnten sie uns Beide und sprachen die Hoffnung aus, daß die »Schnecke« unsern Aufenthaltsort ausspähen werde. Da hörte ich Old Death’s halblaute Stimme:
    »Da sind wir ja, Mesch’ schurs! Paßt doch auf!«
    Schnell richtete ich mich hinter dem Capt’n auf und schlug ihm die Hände in der Weise, wie der Scout es mir gesagt hatte, um den Hals. Mit den Fingerspitzen fest auf seinem Kehlkopfe, drückte ich ihn seitwärts zu Boden nieder, stieß ihn mit dem Knie noch weiter um, so daß er auf das Gesicht zu liegen kam, und kniete ihm dann auf den Rücken. Er hatte keinen Laut ausgestoßen, zuckte krampfhaft mit den Armen und Beinen und lag dann still. Da kauerte sich Old Death’s Gestalt vor uns hin. Der Alte versetzte dem Capt’n einen Schlag mit dem Revolverknaufe auf den Kopf und sagte dann:
    »Laßt los, Sir, sonst erstickt er wirklich! Ihr habt es für den Anfang gar nicht übel gemacht. Anlagen scheint Ihr zu besitzen, und ich calculire, daß einmal ein famoser Bösewicht oder aber ein tüchtiger Westmann aus Euch wird. Nehmt den Kerl auf die Achsel, und kommt!«
    Er nahm den Einen, ich den Andern auf die Schulter, und kehrten nach der Hinterthüre zurück, wo Old Death, wie es besprochen worden war, zu kratzen begann. Lange ließ uns ein.
    »Was bringt Ihr denn da?« fragte er leise, als er trotz der Dunkelheit bemerkte, daß wir Lasten trugen.
    »Werdet es sehen,« antwortete Old Death lustig. »Schließt zu, und kommt mit herein!«
    Wie staunten die Männer, als wir unsere Beute auf die Diele legten. »Alle Wetter!« fuhr der alte Deutsche auf. »Das sind ja zwei Kukluxer! Todt?«
    »Hoffentlich nicht,« sagte der Scout. »Ihr seht, wie recht ich that, daß ich diesen jungen Master mit mir nahm. Er hat sich brav gehalten, hat sogar den Anführer der Bande überwältigt.«
    »Den Anführer? Ah, das ist prächtig! Aber wo stecken seine Leute, und warum bringt Ihr diese Beiden herein?«
    »Muß ich Euch das erst sagen? Es ist doch sehr leicht zu errathen. Ich und der junge Sir da, wir werden die Kleider der beiden Lumpen anlegen und die Bande, welche sich am Stollen versteckt hält, herein holen.«
    »Seid Ihr des Teufels! Ihr riskirt das Leben. Wenn man nun entdeckt, daß Ihr gefälschte Kukluxer seid?«
    »Das wird man eben nicht entdecken,« entgegnete der Alte in überlegenem Tone. »Old Death ist ein pfiffiger Kerl, und dieser junge Master ist auch nicht ganz so dumm, wie er aussieht.«
    Dieses höchst zweideutige Lob beleidigte mich nicht, denn ich fühlte eine ungeheure Genugthuung über das, was ich geleistet hatte. Wenn ich als Knabe den alten Vater Homer übersetzen mußte, so hatte ich es wohl manchmal beklagt, nicht in jener Zeit gelebt, nicht Troja mit belagert und es mit Hilfe des bekannten hohlen Schimmels oder Rappens erobert zu haben. Wie herrlich mußte es gewesen sein, in stolzer Rede den feindlichen Helden heraus zu fordern, um ihm den Speer durch den leuchtenden Panzer zu rennen! Jetzt hatte ich zwar blos einen gewöhnlichen Kuklux beim Halse genommen, aber ich »calculirte«, daß doch eine kleine Spur einer gewissen Art

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