Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
nicht grad die Damen in die Krankenstube bringen? Wenn die Rothen sehen, daß Frauen da wohnen, werden sie doppelt überzeugt sein, daß sich kein Indianer dort befunden hat.«
»Ganz recht!« bemerkte Sennor Atanasio. »Ihr braucht nur einige Decken zu legen und aus den Zimmern meiner Frau und Tochter die Hängematten hinab zu schaffen. Haken zum Aufhängen derselben sind in jeder Stube des Hauses vorhanden. Die Damen mögen sich hineinlegen. Ihr aber findet für den Apachen das beste Versteck gleich unterhalb der Stelle des Flusses, an welcher Ihr vorhin gebadet habt. Dort hängen dichte, blühende Petunienranken bis in das Wasser herab, unter denen wir unsern Kahn versteckt haben. Legt Ihr den Apachen hinein, so kann kein Comanche ihn finden. Petro mag mit Euch gehen. Erst wenn Ihr zurückgekehrt seid, werden wir den Indianern erlauben, das Innere des Hauses zu betreten.«
Ich stieg mit dem Peon, welcher Petro hieß, hinab, wo die beiden Damen voller Sorge auf die Entwickelung des Ereignisses warteten. Als wir ihnen mittheilten, um was es sich handle, waren sie uns zur Ausführung unseres Vorhabens schnell behilflich. Sie selbst trugen Decken und die Hängematten herbei. In eine der ersteren wurde der Apache gewickelt. Als er hörte, daß die Comanchen da seien, um nach ihm zu suchen, sagte er mit schwacher Stimme:
»Indanischo hat viele Winter gesehen, und seine Tage sind gezählt. Warum sollen die guten Bleichgesichter sich seinetwegen ermorden lassen? Sie mögen ihn den Comanchen überantworten, ihn aber vorher tödten. Er bittet sie darum.«
Er hatte in dem bereits erwähnten Jargon gesprochen, welchen ich sehr leicht verstand. Ich antwortete ihm nur durch ein energisches Kopfschütteln. Dann trugen wir ihn aus der Stube. Das Schränkchen wurde zur Seite gerückt und der Transport des Verwundeten glücklich bis hinaus vor die Mauer bewerkstelligt. Bisher hatte uns Niemand gesehen. Draußen gab es Strauchwerk, welches uns für den Augenblick verbarg. Zwischen diesen und dem nahen Flusse aber zog sich ein freier Streifen hin, den wir quer zu durchschreiten hatten. Ich lugte vorsichtig hinaus und gewahrte zu meiner Enttäuschung einen Comanchen, welcher am Boden saß und Lanze, Köcher und Bogen vor sich liegen hatte. Er hatte die hintere Seite der Mauer zu bewachen, ein Umstand, welcher die Ausführung unsers Planes unmöglich zu machen schien.
»Wir müssen wieder zurück, Sennor,« sagte der Peon, als ich ihm den Rothen zeigte. »Wir könnten ihn zwar tödten, aber das würde die Rache der andern auf uns laden.«
»Nein, tödten auf keinen Fall. Aber es muß doch möglich sein, ihn zu entfernen, ihn fort zu locken.«
»Das glaube ich nicht. Er wird seinen Posten nicht verlassen, bis er abgerufen wird.«
»Und doch habe ich einen Plan, welcher mir vielleicht gelingt. Du bleibst hier versteckt; ich aber lasse mich von ihm sehen. Sobald er mich bemerkt, thue ich, als ob ich erschrecke, und fliehe. Er wird mich verfolgen.«
»Oder Euch einen Pfeil in den Leib geben.«
»Das muß ich freilich riskiren.«
»Thut es nicht, Sennor! Es ist zu gewagt. Die Comanchen schießen mit ihren Bogen ebenso sicher, wie wir mit den Büchsen. Wenn Ihr flieht, kehrt Ihr ihm den Rücken zu und könnt den Pfeil nicht sehen und ihm ausweichen.«
»Ich fliehe über den Fluß. Wenn ich auf dem Rücken schwimme, sehe ich ihn schießen und tauche sofort nieder. Er wird glauben, daß ich irgend etwas gegen die Seinen im Schilde führe und mir wahrscheinlich in’s Wasser folgen. Drüben mache ich ihn für uns unschädlich; ich betäube ihn durch einen Hieb auf den Kopf. Du verläßest diesen Platz nicht eher, als bis ich zurückkehre. Ich habe vorhin beim Baden das Petuniengerank gesehen und weiß also, wo der Kahn sich befindet. Ich werde denselben holen und grad hier gegenüber anlegen.«
Der Peon gab sich Mühe, mich von meinem Vorsatze abzubringen, aber ich durfte nicht auf seine Einwendungen hören, da ich nicht wußte, in welcher andern Weise wir den uns ertheilten Auftrag ausführen könnten. Ich verließ also die Stelle, an welcher wir uns befanden. Um dieselbe nicht zu verrathen, schlich ich mich eine Strecke im Gebüsch an der Mauer hin und trat dann hervor, mir den Anschein gebend, als ob ich um die Ecke gekommen sei. Der Comanche sah mich nicht sofort. Bald aber drehte er mir das Gesicht zu und sprang schnell auf. Ich wendete mein Gesicht halb ab, damit er dasselbe später nicht erkennen möge. Er rief mir zu,
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