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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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der Anführer. »Ist nicht Einer von uns wie der Andere? Was Einer thut, sollen Alle thun. Old Death kann uns Vertrauen schenken. Wir werden nichts berühren. Keiner von uns wird etwas stehlen.«
    »Gut! Ihr sollt sehen, daß wir großmüthig sind. Ihr sollt Alle in das Haus dürfen, damit sich Jeder überzeugen kann, daß ich die Wahrheit gesagt habe. Aber ich verlange, daß Ihr vorher alle Eure Waffen ablegt, und daß wir den, welcher eine Person oder eine Sache ohne unsere Erlaubniß anrührt, hier behalten dürfen, um ihn zu bestrafen.«
    Die Rothen beriethen sich über diese Forderung und gestanden sie uns dann zu. Sie legten ihre Bogen, Köcher und Messer ab und stiegen dann hinter einander ein. Schon ehe ich mit Petro fortgegangen war, hatten die Vaquero’s draußen auf der Ebene gehalten, gut beritten und bewaffnet, die Blicke zu uns herauf gerichtet. Sie hatten auf ein Zeichen ihres Herrn gewartet und sich nur deßhalb ruhig verhalten, weil dieses nicht gegeben wurde.
    Von uns vierzehn Männern waren der Haziendero und Old Death bestimmt, den Comanchen alle Räume zu öffnen. Zwei blieben auf der Plattform zurück, und je fünf kamen in die beiden Corridore zu stehen, um mit den Waffen in den Händen jeder etwaigen Ausschreitung der Rothen sofort entgegen zu treten. Ich stand mit im untern Corridor und stellte mich an die Thüre der Stube, in welcher der Apache gelegen hatte. Die Comanchen kamen straks herab und auf diese Thüre zu. Old Death öffnete dieselbe. Es war den Indianern anzusehen, daß sie überzeugt waren, den ›guten Mann‹ da zu sehen. Anstatt dessen aber sahen sie die beiden Damen, welche lesend in den Hängematten lagen.
    »Uff!« rief der Anführer enttäuscht. »Da sind die Squaws!«
    »Ja,« lachte Old Death. »Und da soll der Häuptling der Apachen liegen, wie das Bleichgesicht gelogen hat. Tretet doch ein, und sucht nach ihm!«
    Der Blick des Anführers durchflog den Raum; dann antwortete er:
    »Ein Krieger tritt nicht in das Wigwam der Frauen. Hier ist kein Apache. Mein Auge würde ihn erblicken.«
    »So sucht in den andern Räumen!«
    Ueber eine Stunde dauerte es, bevor die Indianer ihre Untersuchung beendet hatten. Als sie keine Spur des Gesuchten fanden, kehrten sie noch einmal zurück. Die Damen mußten die Stube verlassen, welche nun noch einmal auf das Genaueste durchforscht wurde. Die Rothen hoben sogar die Decken und Matrazen empor, welche direkt auf dem Boden lagen. Auch diesen letzteren untersuchten sie, ob es da vielleicht eine hohle Stelle gebe. Endlich waren sie überzeugt, daß der Gesuchte sich nicht auf der Estanzia befinde. Als der Anführer dies eingestand, sagte Old Death:
    »Ich habe es Euch gesagt, aber Ihr glaubtet es nicht. Ihr habt einem Lügner mehr Vertrauen geschenkt als mir, der ich ein Freund der Comanchen bin. Wenn ich zu dem ›weißen Biber‹ komme, werde ich mich bei ihm beschweren.«
    »Will mein weißer Bruder denn zu ihm? So kann er mit uns reiten.«
    »Das ist nicht möglich. Mein Pferd ist ermüdet; ich kann erst morgen weiter reiten; die Krieger der Comanchen aber werden schon heut’ diese Gegend verlassen.«
    »Nein. Wir bleiben hier. Die Sonne geht zur Ruhe, und wir reiten nicht des Nachts. Wir brechen bei der Ankunft des Tages auf, und da kann mein Bruder mit uns wandern.«
    »Gut! Aber ich begleite Euch nicht allein. Es sind noch vier Gefährten bei mir.«
    »Auch sie werden dem ›weißen Biber‹ willkommen sein. Meine weißen Brüder mögen uns erlauben, in dieser Nacht in der Nähe dieses Hauses zu ruhen.«
    »Dagegen habe ich nichts,« antwortete der Mexicaner. »Ich habe Euch bereits gesagt, daß ich ein Freund aller rothen Männer bin, wenn sie friedlich zu mir kommen. Um Euch das zu beweisen, werde ich Euch ein Rind schenken, welches geschlachtet werden soll. Ihr mögt Euch ein Feuer anbrennen, um es zu braten.«
    Dieses Versprechen machte einen sehr guten Eindruck auf die Comanchen. Sie waren jetzt wirklich überzeugt, uns unrecht gethan zu haben, und zeigten sich von ihrer friedfertigsten Seite. Freilich mochte dazu am meisten das Ansehen beitragen, in welchem Old Death bei ihnen stand. Sie hatten wirklich nichts angerührt und verließen nun das Haus, ohne von uns dazu aufgefordert zu werden. Die Treppen waren hinabgelassen und das Thor stand offen. Einige bewaffnete Peons blieben als Wächter auf der Plattform zurück. Man durfte trotz des veränderten Benehmens der Rothen keine Vorsicht versäumen. Wir Andern gingen mit

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