Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
hinab, und nun kamen auch die Vaquero’s herbei und erhielten den Befehl, ein Rind einzufangen. Die sämmtlichen Pferde der Comanchen standen an der vordern Seite der Umfassungsmauer. Drei Posten hatten bei ihnen gehalten. Auch an der andern Seite war eine Wache aufgestellt gewesen. Diese Leute wurden jetzt herbei geholt. Der eine von ihnen war derjenige, den ich über den Fluß gelockt hatte. Sein sehr unzureichendes Gewand war noch naß. Er war auf seinen Posten zurückgekehrt und hatte noch keine Gelegenheit gehabt, dem Anführer das Geschehene zu melden. Jetzt trat er zu ihm und erzählte es ihm, doch so, daß wir Weißen nichts hörten. Er schien mit seinem Berichte zu Ende zu sein, als sein Auge auf mich fiel. Wegen der Bemalung seines Gesichtes konnte ich keine Veränderung seiner Züge bemerken, aber er machte eine Bewegung des Zornes, deutete auf mich und rief dem Anführer einige indianische Worte zu, deren Bedeutung ich nicht verstand. Der Letztgenannte betrachtete mich mit drohend forschendem Blicke, trat auf mich zu und sagte:
»Das junge Bleichgesicht ist vorhin über den Fluß geschwommen! Du hast diesen rothen Krieger niedergeschlagen?«
Old Death nahm sich meiner an, indem er herbeitrat und den Anführer fragte, was er mit seinen Worten wolle. Der Gefragte erzählte, was geschehen war. Der Alte aber lachte lustig auf und sagte:
»Die rothen Krieger scheinen sich nicht darauf zu verstehen, die Angesichter der Weißen zu unterscheiden. Es fragt sich überhaupt, ob es ein Bleichgesicht gewesen ist, welches dieser Sohn der Comanchen gesehen hat.«
»Ein Weißer war es,« antwortete der Betreffende in bestimmtem Tone. »Und kein anderer als dieser hier. Ich habe sein Gesicht gesehen, als er schwimmend auf dem Rücken lag. Auch hatte er dasselbe weiße Gewand an.«
»So! In den Kleidern ist er über den Fluß geschwommen? Dein Anzug ist noch naß. Der seinige müßte es auch noch sein. Fühle ihn aber an, so wirst Du Dich überzeugen, daß er vollständig trocken ist.«
»Er hat den nassen ausgezogen und im Hause einen andern angelegt.«
»Wie ist er hineingekommen? Haben nicht Eure Krieger hier an dem Thore gestanden? Kein Mensch kann in das Haus oder aus demselben, ohne diese Treppen zu besteigen, an welchen sämmtliche Krieger der Comanchen standen. Kann mein junger Gefährte also außerhalb des Hauses gewesen sein?«
Sie gaben das zu, und der überlistete Posten war endlich auch selbst der Meinung, daß er sich geirrt habe. Als dann der Haziendero bemerkte, es treibe sich seit einiger Zeit eine Bande von Pferdedieben in dieser Gegend herum, zu denen der Mensch jedenfalls gehöre, so war die Angelegenheit erledigt. Nur der Umstand blieb räthselhaft, daß keine Spur vorhanden gewesen war, aus welcher man hätte ersehen können, nach welcher Richtung dieser Mann davongegangen sei. Um dieses Räthsel zu lösen, ritt der Anführer mit dem Posten und einigen andern durch die Furth und dann nach der betreffenden Stelle. Glücklicher Weise aber begann es bereits dunkel zu werden, so daß eine genaue Untersuchung des Ortes nicht mehr stattfinden konnte. Old Death, der Schlaue, nahm mich mit sich, um am Fluße entlang zu spazieren. Die Augen auf die Reiter am jenseitigen Ufer gerichtet und uns scheinbar nur mit diesen beschäftigend, gingen wir langsam fort und blieben bei den Petunien stehen. Dort sagte der Alte so leise, daß nur ich und der im Kahne Befindliche es hören konnte:
»Old Death steht da mit dem jungen Bleichgesichte, welches den ›guten Mann‹ hier versteckt hat. Erkennt mich der Häuptling der Apachen vielleicht an der Stimme?«
»Ja,« lautete die ebenso leise Antwort.
»Die Comanchen glauben jetzt, daß sich der ›gute Mann‹ nicht hier befindet. Sie werden beim Anbruche des Tages fortreiten. Aber wird mein Bruder es so lange im Kahne aushalten können?«
»Der Apache hält es aus, denn der Duft des Wassers erquickt ihn, und das Fieber wird nicht wiederkehren. Der Häuptling der Apachen möchte aber gern wissen, wie lange Old Death mit seinen Gefährten hier bleibt.«
»Wir reiten morgen mit den Comanchen fort.«
»Uff! Warum gesellt sich mein Freund zu unsern Feinden?«
»Weil wir einige Männer suchen, welche bei ihnen zu finden sind.«
»Werden die weißen Männer auch mit Kriegern der Apachen zusammentreffen?«
»Das ist leicht möglich.«
»So möchte ich dem jungen Krieger, welcher sein Leben wagte, um mich hier zu verbergen, gern ein Totem geben, welches er den
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