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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Morgen ein wenig mehr als bloß erfrischt fühlte. Die nun angestellte Untersuchung ergab, daß wir uns an einem ganz hübschen Wasserlaufe befanden, über den nicht weit von uns die Comanchen geschwommen waren. Wir thaten dasselbe und folgten ihrer Spur von Neuem. Um die Mittagszeit wendete sich die Fährte nach Westen, und wir sahen in dieser Richtung nackte Berge vor uns aufsteigen. Old Death machte ein bedenkliches Gesicht. Von mir über die Ursache desselben befragt, antwortete er:
    »Die Geschichte gefällt mir nicht. Ich kann den ›weißen Biber‹ nicht begreifen, daß er sich in diese Gegend wagt. Wißt Ihr etwa, was für eine schöne Gegend da vor uns liegt?«
    »Ja, die Bolson de Mapimi.«
    »Und kennt Ihr diese Wüste?«
    »Nein. Auch gehört habe ich von ihr nichts Näheres.«
    »Weil man überhaupt nicht viel über sie zu sagen weiß. Diese Mapimi ist ein wahrer Mehlwürmertopf, aus welchem zu allen Zeiten die wilden Völkerschaften hervorgebrochen sind, um sich räuberisch auf die angrenzenden Länder zu werfen. Dabei dürft Ihr aber nicht etwa denken, daß es ein fruchtbares Land sein müsse, weil es eine solche Menschenzahl ausbrütet. Aber man hat immer die Erfahrung gemacht, daß wüste Gegenden der Ausgangspunkt von Völkerwanderungen sind. Den Stämmen, die da oben auf dieser Hochebene und in den Schluchten, Gründen und Thälern wohnen, ist nicht beizukommen. Ich weiß ganz genau, daß sich mehrere Horden der Apachen dort festgesetzt haben. Ist es die Absicht der Comanchen, diese zu überfallen, so können sie mir ungeheuer leid thun, nicht die Apachen, sondern die Comanchen. Im Norden streifen die Apachen zwischen dem Rio del Norte und dem Rio Pecos, und den ganzen Nordwesten bis über den Gila hinüber haben sie inne. Die Comanchen wagen sich also in eine Falle, welche sehr leicht über ihnen zuklappen kann.«
    »O wehe! Da stecken auch wir mit drin!«
    »Ja, aber ich fürchte mich nicht allzu sehr. Wir haben den Apachen nichts gethan, und so hoffe ich, daß sie uns nicht feindselig behandeln. Im Nothfalle wird Euer Totem von guter Wirkung sein.«
    »Ist es nicht unsere Pflicht, die Comanchen zu warnen?«
    »Versucht es doch einmal, Sir! Sagt einem Dummen zehnmal, daß er dumm sei, er glaubt es dennoch nicht. Ich habe vorhin dem Anführer gesagt, was ich denke. Er schnauzte mich ab, und sagte, er habe der Spur des ›weißen Bibers‹ zu folgen. Wenn wir das nicht thun wollten, so stehe es uns frei, zu reiten, wohin es uns beliebe.«
    »Das war grob!«
    »Ja, die Comanchen nehmen keinen Cursus in Anstandslehre und Conversation. Soll mich wundern, wenn sich da oben nicht irgend etwas über uns zusammenbraut. Ueber die Grenze sind wir herüber; ob und wie wir wieder hinüber kommen, das steht in einem Buche gedruckt, welches ich noch nicht gelesen habe. – – –«

5. Kapitel
Durch die Mapimi
    Die Worte des alten Scout hatten nicht geringen Eindruck auf mich gemacht. Ich war der sichern Ueberzeugung gewesen, Gibson noch im Bereiche der Vereinigten Staaten habhaft zu werden. Nun mußte ich ihm nach Mexico und sogar in die allergefährlichste Gegend dieses Landes folgen.
    Der Weg, welcher erst hatte eingeschlagen werden sollen, um Chihuahua zu erreichen, berührt den Norden des wüsten Gebietes der Mapimi und führt meist durch freies, offenes Land. Nun aber hatten wir uns südlich wenden müssen, wo Gefahren uns erwarteten, denen wir wohl kaum gewachsen waren. Zu diesen niederschlagenden Gedanken trat die körperliche Ermüdung, deren sich selbst die Comanchen nicht mehr erwehren konnten. Wir hatten von der Hazienda del Caballero aus einen wahren Parforceritt gemacht. Den Rothen war das getrocknete Fleisch ausgegangen, welches ihren Proviant gebildet hatte, und auch wir besassen nur noch wenig von dem Speisevorrathe, welchen uns der Haziendero hatte einpacken lassen. Das Terrain stieg nach und nach höher an. Wir erreichten Berge, welche wir am Mittage gesehen hatten, steinige Massen ohne alles pflanzliche Leben. Wir wandten uns zwischen ihnen hindurch, immer nach Süden. Zwischen den steilen Abhängen war die Hitze noch größer als draußen auf der freien Ebene. Die Pferde verlangsamten ihre Schritte immer mehr. Auch der Haupttrupp der Comanchen war hier sehr langsam geritten, wie man aus den Spuren ersah. Ueber uns schwebten mehrere Geier, welche uns seit Stunden gefolgt waren, als ob sie erwarteten, daß unsere Erschöpfung ihnen eine Beute bringen werde. Da färbte sich plötzlich, als

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