Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
todt gehalten und scalpirt worden.
Old Death kniete zu ihm nieder und untersuchte seine Wunde.
»Mann,« sagte er, »Ihr habt vielleicht noch zehn Minuten zu leben. Macht Euer Herz leicht, und geht mit keiner Lüge in die Ewigkeit. Ihr habt es mit den Apachen gehalten?«
»Ja,« antwortete der Gefragte wimmernd.
»Ihr wußtet, daß wir in dieser Nacht überfallen werden sollten?«
»Ja. Die beiden Topia’s hatten die Comanchen zu diesem Zwecke hierher geführt.«
»Und Gibson sollte das Zeichen mit dem Feuer geben?«
»Ja, Sir. Eigentlich mußte er so oft in das Feuer schlagen, als es hundert Comanchen waren. Dann hätte Winnetou sie nicht heute, sondern erst morgen an einem andern Orte angegriffen, weil er heute nur hundert Mann bei sich hatte. Morgen aber stoßen die Uebrigen zu ihm.«
»Dachte es mir. Daß ich Gibson verhindert habe, noch viermal in das Feuer zu stöbern, hat die Apachen veranlaßt, uns jetzt schon zu überfallen. Nun aber haben sie die Ausgänge besetzt. Wir können nicht fort, und morgen wird sich dieses Thal zu einem offenen Grabe gestalten, in welchem wir langsam abgeschlachtet werden.«
»Wir werden uns wehren!« knirschte der Häuptling, welcher dabei stand, grimmig. »Dieser Verräther hier aber soll als räudiger Hund in die Jagdgründe gehen, um dort von den Wölfen gejagt zu werden, daß ihm der Geifer in Ewigkeit von der Zunge trieft.«
Er zog sein Messer und stieß es dem Verwundeten in’s Herz.
»Thorheit!« rief Old Death zornig. »Du brauchtest an ihm nicht zum Mörder zu werden. Seine Strafe wäre noch schlimmer gewesen, wenn er noch kurze Zeit als Scalpirter hätte leben müssen.«
»Ich habe ihn getödtet, und nun ist seine Seele die Sklavin der meinigen. Wir aber wollen jetzt Kriegsrath halten. Die Krieger der Comanchen haben nicht Lust, zu warten, bis die Hunde der Apachen in Menge herbei gekommen sind. Wir können noch heut’ in der Nacht durch den Ausgang dringen.«
Er setzte sich mit seinen Unteranführern an dem Feuer nieder. Old Death mußte auch Theil nehmen. Ich saß mit Lange, dessen Sohn und dem Neger so weit vom Feuer entfernt, daß ich nichts hören konnte, zumal die Verhandlung in unterdrücktem Tone geführt wurde. Doch ersah ich aus den Zügen und den lebhaften Handbewegungen des Scout, daß dieser nicht der Meinung der Indianer war. Er schien die seinige lebhaft zu vertheidigen, doch ohne Erfolg. Endlich sprang er zornig auf, und ich hörte ihn sagen:
»Nun, so rennt in Euer Verderben! Ich habe Euch bereits wiederholt gewarnt, ohne gehört zu werden. Ich habe stets recht gehabt und werde es auch dieses Mal haben. Macht, was Ihr wollt. Ich aber und meine Gefährten, wir bleiben hier zurück.«
»Bist Du zu feig, um mit uns zu kämpfen?« fragte einer der Unteranführer.
Old Death machte eine heftige Bewegung gegen ihn und wollte ihm eine strenge Antwort geben, besann sich aber und sagte ruhig:
»Mein Bruder muß erst seinen Muth beweisen, bevor er mich nach dem meinigen fragen darf. Ich heiße Old Death, und das ist genug gesagt.«
Er kam zu uns und setzte sich da nieder, während die Rothen noch eine Weile fort beriethen. Endlich waren sie zu einem Entschlusse gekommen und standen von ihren Sitzen auf. Da ertönte von jenseits der das Lagerfeuer rund umgebenden Comanchen eine laute Stimme:
»Der ›weiße Biber‹ mag hierher sehen. Meine Büchse ist sehr hungrig auf ihn.«
Aller Augen wendeten sich nach der Stelle, von welcher aus die Worte ertönten. Dort stand Winnetou, hoch aufgerichtet mit angeschlagenem Gewehre. Die beiden Läufe desselben blitzten nach einander auf. Der »weiße Biber« stürzte getroffen nieder und neben ihm einer der Unterhäuptlinge.
»So werden sterben alle Lügner und Verräther!« erklang es noch. Dann war der Apache verschwunden. Das war so schnell geschehen, daß die Comanchen gar nicht auf den Gedanken gekommen waren oder vielmehr gar nicht Zeit gefunden hatten, aufzuspringen. Nun aber fuhren sie Alle empor und stürzten sich nach der Gegend, in welcher er verschwunden war. Nur wir vier blieben zurück. Old Death trat zu den beiden Häuptlingen. Sie waren todt.
»Welch ein Wagniß!« rief Lange. »Dieser Winnetou ist ein wahrer Teufel!«
»Pah!« lachte Old Death. »Das Richtige kommt noch. Paßt einmal auf!«
Kaum hatte er die Worte gesagt, so hörten wir ein durchdringendes Geheul.
»Da habt Ihr es!« meinte er. »Er hat nicht nur die beiden Häuptlinge für ihre Verrätherei bestraft, sondern auch
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