Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
fest entschlossen, sie nicht wieder zu betreten,« so mag das vermessen oder vielleicht gar lächerlich klingen; aber ich kannte mich und meinen thatkräftigen kleinen Halef, und für einen erfahrenen Prairieläufer waren diese Ihlauts doch nur minderwertige Gesellen. Unsere Pferde mußten wir auf alle Fälle wieder haben, und wenn das nicht auf andere Weise zu erreichen war, so schreckte weder Halef noch ich bei all unserer sonstigen Humanität vor dem Gedanken zurück, nötigenfalls Menschenblut fließen zu lassen.
Man hatte uns, damit wir gehen könnten, die Füße freigeben müssen; ich war also sicher, im Gebrauche meiner Glieder zu sein, sobald es mir beliebte. Da es gestern bei unserer Ankunft schon dunkel gewesen war, hatte man uns nicht genau sehen können; darum standen die Bewohner des Lagers jetzt in dichten Scharen draußen, um uns zu betrachten. Da fielen mir gleich wieder die Frauen und Mädchen auf, welche auch hier alle unverschleiert waren. Es war wirklich auffällig, daß selbst Mütter, deren erwachsene Söhne neben ihnen standen, ein so jugendfrisches Aussehen hatten, als ob sie noch ledig seien. Ich entdeckte, während wir langsam durch die gebildete Doppelreihe geführt wurden, in diesen weiblichen Gesichtern nicht den geringsten Hautfehler, obgleich ich sehr scharfe Augen habe. Freilich hatte ich meine Aufmerksamkeit nicht allein auf diesen an sich ganz interessanten Gegenstand zu richten; ein noch viel größeres Interesse mußte auf die Pferde der Ihlauts gerichtet sein, denn wir brauchten zwei, um so schnell wie möglich nach Kirmanschah zu kommen.
Wir konnten uns die Einrichtung des Lagers gar nicht günstiger wünschen, als sie war. Der Wald bildete wie bereits erwähnt, eine Bucht, welche sich von Norden nach Süden zog. Wir waren gestern von Norden gekommen. Am dortigen Ende der Bucht weideten die Pferde, natürlich ungesattelt, aber alle mit Halfterzeug. Nach dieser Richtung wurden wir geführt, und zwar bis zu einer Hütte, welche so am Waldessaume lag, daß der hintere Teil derselben sich an zwei Baumstämme lehnte, welche ungefähr vier Meter entfernt voneinander standen. Das Unterholz wurde an dieser Stelle von wilden Schneeballsträuchern gebildet.
Erwähnen muß ich, daß wir nur mit Neugierde betrachtet wurden und ich in keinem einzigen Gesichte einen Zug von Haß oder einem ähnlichen Gefühle entdeckte. Wir waren für diese Leute eben nur Lösegeldobjekte, weiter nichts.
Wir blieben vor der erwähnten Hütte halten. Der Anführer ging erst allein hinein und winkte uns dann nach kurzer Zeit, nachzukommen. Ich hatte erwartet, vor eine Versammlung hervorragender Krieger, welche über uns beschlossen hatten, geführt zu werden, und mir also die Flucht viel schwieriger vorgestellt, als sie mir jetzt erschien, da ich die Nezaneh ganz allein in ihrer Hütte sitzen sah.
Diese war auch aus Holzstangen und Rasenstücken hergerichtet und besaß keine Fensteröffnungen. Sie bekam das Licht durch die vielen Lücken in den Wänden und durch eine Öffnung im Dache, welche zugleich dem Rauche als Abzug zu dienen hatte. In der einen hinteren Ecke lag der aus Steinen primitiv hergerichtete Feuerherd; in der andern sah ich das aus Laub hoch aufgerichtete Lager, welches mit Fellen bedeckt war und der Besitzerin jetzt als Divan diente; sie saß darauf. Einige mit Decken belegte Kisten bildeten das ganze Meublement. Waffen sah ich nicht, außer den unserigen, welche auf einem kleinen, neben dem Lager ausgebreiteten Teppich lagen, und zwar nicht allein, sondern in Gesellschaft aller Gegenstände, welche sich in unsern Taschen befunden hatten. Es war für mich eine wahre Wonne, das alles so hübsch beisammen zu sehen.
Wir befanden uns mit der Frau und dem Anführer allein. Er stand hinter uns, die Hand an das Messer gelegt. Sie warf einen kurzen, feindseligen Blick auf Halef, betrachtete dann mich etwas weniger gegnerisch und begann in kaltem, erklärendem Tone: »Ihr wißt wahrscheinlich schon, was sich mit Euern Pferden zugetragen hat; sie sind uns verloren gegangen, und Ihr habt sie uns also zu ersetzen. Die Dschemma 31 meiner Krieger hat über alles beschlossen, und ich habe es genehmigt. Eure Waffen können wir nicht gebrauchen, denn wir haben selbst welche und wissen auch von einigen nicht, wie man sie anfassen muß. Die anderen Sachen könnten wir zwar behalten, aber sie haben jedenfalls einen größeren Wert für Euch als für uns, und so sind wir gern bereit, sie an Euch zu verkaufen.
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