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Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.

Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.

Titel: Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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denn eigentlich auf der Bühne los sei. Ich erklärte ihm, daß er das Leben in einem sogenannten »Kib- buz« sähe, einer landwirtschaftlichen Kollektivsiedlung, wo die Menschen freiwillig arbeiten, die eine Hand am Pflug, die andere am Gewehr, die dritte auf der Bibel. Mein neuer Freund, Monsieur Rapue, teilte mir daraufhin mit, daß auch er, oder genauer gesagt sein Großvater, gegen die Preußen gekämpft hätte. Von da wechselte unser Gespräch zu den Chinesen, zu Roulette, und zum Jüngsten Gericht. Möglicherweise war es dieses letzte Thema, das Monsieur Rapue veranlaßte, seine traditionelle Zurückhaltung aufzugeben und mich in seine Wohnung einzuladen.
    »Kommen sie Freitagabend nach dem Diner«, sagte er.
    »Es kommen auch noch ein paar andere Leute nach dem Diner.«
    »Merci«, antwortete ich. »Ich komme also Freitagabend nach dem Diner.«
    »Nehmen Sie die Metro Bonaparte bis zum Napoleon-Obelisk. Überqueren Sie die Place de la Grande Armee in Richtung Arc de Triomphe. An der Kreuzung der Avenue du 7 Novembre mit der Rue du 28 Mai finden Sie das Haus Marengo. Sie erkennen es an der links vom Eingang angebrachten Marmorplatte, aus der genau hervorgeht, wann der Grundstein dieses Hauses gelegt wurde. Es war genau 104 Jahre, nachdem Napoleon die italienischen Armeen an der Brücke von Marengo zerschmettert hatte. Auf Wiedersehen Freitagabend nach dem Diner.«
    Am Freitagabend nahm ich ein umfangreiches Diner zu mir und machte mich auf den angegebenen Weg. Den zur Erinnerung an Napoleons Sieg bei Friedland errichteten Obelisk fand ich ohne Mühe, aber dort, wo die Place de la Grande Armee sein sollte, stand das Keramische Museum, das im Gebäude einer ehemaligen Kadettenschule untergebracht war. Nach einigen Minuten vergeblichen Wanderns bat ich einen Verkehrspolizisten um Auskunft. Er belehrte mich, daß der von mir gesuchte Obelisk nicht der Friedland-Obelisk sei, sondern der Obelisk zu Ehren des Siegs in Ägypten zwischen der Rue 11 Janvier und der Rue 12 Janvier. Anschließend fragte er mich nach meiner Nationalität. Ich gab mich als Israeli zu erkennen und sah, wie seine Augen aufleuchteten. Napoleon, so erklärte er mir, hätte vor der Unterwerfung Ägyptens bekanntlich Accra und Jaffa erobert. Ich nickte zustimmend, obwohl die Festung Accra gar nicht daran gedacht hatte, sich von Napoleon erobern zu lassen.
    Kaum eine halbe Stunde später stand ich vor dem Haus Ma- rengo und eine weitere Viertelstunde später vor der Wohnung von Monsieur Rapue. Dort war bereits eine kleine, aber vornehme Gesellschaft versammelt. Alle sprachen fließend Französisch, eine Sprache, der meine hoffnungslose Liebe gilt. Nach einer Weile wandte sich die Unterhaltung dem Nahen Osten zu. Es herrschte volle Einigkeit über die strategische Bedeutung des Staates Israel.
    »Schon zur Zeit, als der Kaiser vor der Unterwerfung Ägyptens Accra und Jaffa eroberte...« begann einer der Gäste und verlor sich in einer ausführlichen Schilderung der genialen taktischen Manöver, die der Korse im Schatten der Pyramiden durchgeführt hatte. Besonders an der Erscheinung der großen Feldherrn, wie er auf weißen Zelter einsam einen Hügel heranritt, indessen die Strahlen der untergehenden Wüstensonne seine Gestalt in einen goldenen Schimmer tauchten, entzündete sich die Phantasie des Sprechers. Das, so äußerte er verträumt, müßte eigentlich ein großartiges Gemälde abgeben.
    (Zwei solche Gemälde hingen in Öl an der Wand.)
    Ich meinerseits, als kurzfristiger Besucher mehr von praktischen Interessen beherrscht, erkundigte mich nach den Sehenswürdigkeiten, die ich während meines Aufenthalts unbedingt besichtigen müßte. Man nannte mir die folgenden:
    Das Grab Napoleons. Den Arc de Triomphe. Sämtliche Kriegsmuseen, besonders die der Schlachten von Jena, von Austerlitz und von Wagram, aber auch alle anderen. Sämtliche Lieblingsschlösser des Kaisers, besonders das in Malmaison, in Saint Germain, in...
    Mein Kopf begann sich zu drehen. Gewiß, Napoleon trägt mit Recht den stolzen Beinamen »der Adler«, aber ich habe auch für Spatzen etwas übrig. Vielleicht bin ich nur neidisch, weil er die Welt erobert hat und ich nicht. Und außerdem ist es mit seinen Welteroberungen, wenn man näher zusieht, nicht gar so weit. Unser Geschichtsprofessor im Gymnasium antwortete einmal auf die respektlose Frage, wozu Napoleon den ägyptischen Feldzug überhaupt unternommen habe: Der General wollte die Pyramiden nach Frankreich schaffen.

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