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Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.

Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.

Titel: Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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herauf. - Warum es sich nicht empfiehlt, mit dem Hemd über der Hose auf dem Montmartre spazieren zu gehen. - Endlich: Begegnung mit dem authentischen Geschlechtsleben und der Prostitution. - La Belle et la Bete. - Eine fröhliche Großmutter steigt in einem goldenen Käfig aus den Wolken herab und verursacht mir die zwei schlimmsten Stunden meines Lebens.
     
    Kaum rollt der Zug über die Grenze nach Frankreich, wird dem Reisenden zumute wie einem Astronauten, der das Gravitationsfeld der Erde verlassen hat. Alle bisherigen Lebensbedingungen sind aufgehoben. Im herkömmlichen Sinn existiert man nicht mehr. Gewiß, man atmet, man ißt, man bewegt sich noch - aber niemand bemerkt es, niemand nimmt es zur Kenntnis. Man ist Luft. Man ist ein ausländischer Tourist.
    Auf dem Höhepunkt der Reisesaison halten sich in Paris, der Hauptstadt der Welt, ungefähr eine Million Fremde auf. Es ist wirklich nicht zu erwarten, daß die armen Franzosen sich in dieser babylonischen Vielfalt von Völkern und Sprache auskennen. Und noch in einer ändern Erwartung wird man enttäuscht. Man stellt mit Schrecken fest, daß man des Französischen unkundig ist, daß man vom Französischlehrer (oder von der Französischlehrerin) der eigenen Jugendjahre schmählich betrogen wurde. Man kann sich auf Französisch nicht verständigen, oder höchstens mit Italienern.
    Zum Teil liegt allerdings auch das an den Franzosen selbst: weil sie so wahnsinnig schnell reden. Ihnen macht das keine Schwierigkeiten. Aber für den Fremden ist es eine Katastrophe. Einmal hatte ich in einem Lebensmittelgeschäft einen Einkauf getätigt und fragte nach der Höhe der Rechnung; der Ladeninhaber antwortete in Sekundenschnelle: »Senksansenkansenk.«
    Ich bat ihn durch Worte und Gesten um eine langsamere Wiederholung, worauf er seine Anstrengungen verdoppelte: »Senksansenkansenksenksansenkansenk!!«
    Als ich noch immer nicht verstand, rang er nach Luft, schluckte, griff nach einem Bleistiftstummel und schrieb die Ziffer aufs Ladenpult: 555. Auch das ging sehr schnell, aber jetzt verstand ich.
    Wir waren am späten Morgen in der Lichterstadt angekommen. Alles ging planmäßig vonstatten, es herrschte freundliches Wetter, die Reise war angenehm, und im Hotel St. Paul, 15 rue St. Honore, war für uns ein Zimmer reserviert. Obendrein hatten wir im Zug einen alten Freund getroffen, der zeitweilig in Paris lebte und uns mit ein paar guten Ratschlägen versah:
    »Ihr müßt unbedingt darauf achten, ein kleines Taxi zu nehmen«, riet er uns. »Beim Einsteigen nennt ihr Namen und Adresse eures Hotels, und bis zum Aussteigen sprecht ihr kein weiteres Wort. Pariser Taxichauffeure wittern Fremde auf hundert Meter gegen den Wind. Und ihr wißt, welche Folgen das für eure Brieftasche hätte.«
    »Wir wissen es von Lipschitz«, bestätigten wir und machten sofort ein paar kurze Sprechproben. Da die beste Ehefrau von allen als echtbürtige Sabre das gutturale R perfekt beherrscht, wurde sie mit der Nennung der Adresse betraut und übte fleißig den entscheidenden Satz: »Quinze rue St. Honore, Hotel St. Paul... quinze rue St. Honore...«
    Ferner riet uns unser Freund, bei der Adressenangabe und anderen wichtigen Verhandlungen eine Zigarette lässig im Mundwinkel baumeln zu lassen, was nicht nur typisch französisch aussähe, sondern auch gewisse Unebenheiten unserer Aussprache camouflieren würde. Und während der Zug schon in die Halle rollte, schloß er ab:
    »Euer Hotel liegt in der Nähe der Place de la Concorde, wenige Minuten vom Bahnhof. Die Fahrt sollte euch nicht mehr als drei neue Francs kosten.« Alsbald hatten wir ein kleines Taxi gefunden, und während wir unser Gepäck unter den wachsamen Blicken des Chauffeurs in den Kofferraum zwängten, veranstaltete unser Freund eine französische Schnellfeuer-Konversation, die wir nur gelegentlich durch einen kleinen Bestandteil unsres reichen Vokabelschatzes unterbrachen, etwas durch ein »oui«, ein »non« oder ein stummes Achselzucken.
    Dann war es so weit. Nachdem wir unsrem Freund noch einmal zugewinkt hatten, steckte meine Frau eine Zigarette in ihren Mundwinkel, schaltete ihr bestes eingeborenes Guttural- R ein und sagte: »Quinze rue St. Honore, Hotel St. Paul.«
    Es läßt sich nicht leugnen, daß wir maßlos aufgeregt waren. Aber der Fahrer merkte nichts. Mit geschäftsmäßiger Gleichmütigkeit startete er und fuhr los. Alles war in bester Ordnung. Wir ließen uns in den Sitz zurücksinken, eng aneinandergeschmiegt

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