Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.
Nervosität. Man wohnt ja nicht jeden Tag einer so aufregenden Filmaufnahme auf offener nächtlicher Straße bei.
Aber auch kritische Stimme werden hörbar.
»Der Nachtwächter war nicht sehr überzeugend... er ist falsch erschrocken... ich habe den Dialog nicht verstanden... Unsinn, der Dialog wird erst später im Atelier aufgenommen... stimmt, hier ist zuviel Lärm...«
Jetzt fährt Peter Seilers wieder dazwischen:
»Bitte um Ruhe! Und bitte nicht so weit nach vorn drängen! Wir müssen mit dem Raubüberfall fertig werden, solange es noch dunkel ist!«
In den Fenstern der umliegenden Häuser werden verschlafene Gestalten sichtbar:
»Schon wieder eine Filmaufnahme«, murmeln sie mißmutig. »Filme und nichts als Filme. Warum machen sie das nicht in ihren Ateliers...«
»Davon verstehen Sie nichts!« hält ihnen ein Eingeweihter entgegen. »Es würde viel zuviel Geld kosten, im Atelier die Bank von England aufzubauen...«
Ein Zuschauer spricht sich dafür aus, die Szene, in der der Nachtwächter niedergeschlagen wird, zu streichen; die Zensur würde so etwas nie durchlassen.
Ein andrer fragt, ob das schon die endgültige Fassung sei. »Wir machten während der Aufnahme kleine Änderungen«, antwortet Peter Seilers.
Wieder andere versuchen zu erraten, welche Schauspieler sich hinter den schwarzen Gesichtsmasken verbergen.
Der wachthabende Polizist erkundigt sich, welche Gesellschaft den Film dreht.
»Unsere eigene.«
»Und wer finanziert die Produktion?«
»Die Regierung.«
Ob die Szenen genau in der Reihenfolge gedreht werden, fragt eine Laie.
Peter beruhigt ihn. Gerade jetzt sei man im Innern des Gebäudes mit der nächsten Sequenz beschäftigt.
»Ruhe!« unterbricht Sir Alec. »Ich möchte die Alarmglocke von drinnen klar aufs Tonband bekommen! Fahren wir!«
Die Kamera fährt dich an die gesprengte Mauer heran.
Major Forsythe kriecht durch das Loch. Im nächsten Augenblick schrillt die Alarmglocke.
»Schnitt!« brüllt Sir Alec - und schon schneidet der Major die elektrischen Drähte durch. Das Alarmsignal verstummt. Einige Umstehende bemerken tadelnd, daß es sich hier um eine plumpe Nachahmung amerikanischer Gangsterfilme handelt.
Zwei Überfallwagen der Polizei erscheinen auf der Bildfläche und bringen wieder ein wenig Disziplin in die unruhig gewordene Menge. Sie überprüfen die Apparaturen, klettern zu den Jupiterlampen hinauf, stellen dumme Fragen, stören die Arbeit und werden noch auf andre Weise lästig:
»Könnten wir nicht irgendwie ins Bild kommen? Nur für einen einzigen Schuß! In der Totale? Seid nett!«
Sir Alec wählt fünf von den Gesetzeshütern aus und läßt sie das Gebäude betreten, wo gerade die letzte Aufnahme gedreht wird.
Die freiwilligen Helfer strahlen vor Glück, sind begeistert, daß sie den schweren Stahlsafe heraustragen dürfen und kommen bei dieser Gelegenheit vom Profil ins Bild. Dann legen sie den Safe auf die Seite. Diese Aufnahme wird mehrmals wiederholt, so daß Major Forsythe von allen Seiten Löcher in den Stahl drillen kann, wobei er unter dem grellen Jupiterlicht in Schweiß gerät und erbärmlich flucht.
Endlich, gegen vier Uhr morgens, kommt die letzte Einstellung dran:
ABTRANSPORT DER BEUTE, AUSSEN, NACHT.
EINSTELLUNG I8. SCHUSS I.
Achtzig Millionen Pfund werden in Tausenderbündeln in große graue Säcke gestopft. Kameras und Jupiterlampen werden abmontiert und zusammen mit den Geldsäcken auf ein bereitstehendes Lastauto verladen, das unter den Hochrufen der Zuschauer davonfährt.
»Bye-bye!« ruft der Kommandant des Überfallkommandos hinterher. »Und vergeßt nicht, uns Karten zur Premiere zu schicken! Bye-Bye!«
Die Bemannung des Lasters winkt fröhlich zurück und verschwindet mit ihrer Beute im Dunkel der Nacht.
An der nächsten Straßenkreuzung erfolgt ein Zusammenstoß mit einem um die Ecke biegenden Sportwagen, dessen Fahrer zusammensackt und leblos über dem Lenkrad liegenbleibt.
»Hölle und Teufel«, preßt Sir Alec zwischen den Zähnen hervor. »Wir haben den britischen Filmzensor getötet.«
Alle stehen erschüttert, einige haben Tränen in den Augen. Bei den letzten 270 Raubüberfallen auf die Bank von England hat sich der Zensor immer als loyaler Freund erwiesen. Sir Alec seufzt auf und verständigt sich durch stumme Blicke mit den anderen. Wortlos beginnen sie die Säcke mit den gestohlenen Banknoten in den Wagen des Zensors zu verladen...
ABBLENDEN
Die Londoner Straßen bieten manch sehenswerten
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