Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.
an dem Captain Bernie aus dem Sommer-Camp zurückkam.
Leider begann Mr. Rosenblatt jeden Satz seiner ohnedies eintönigen Konversation mit den Worten: »Wir vom Mittelstand«, und leider sprach er ununterbrochen von seinem Sohn, wobei der jede einzelne der zahllosen hervorragenden Eigenschaften des jungen Tausendsassas mit Fotos belegte, auf denen man Junior von allen Seiten bewundern konnte, wie er gerade den Baseballschläger schwang oder einen ändern Beweis seiner enormen physischen Leistungsfähigkeit lieferte.
Das alles hatte unsere Kinderliebe auf eine Probe gestellt, der sich die beste Ehefrau von allen kein zweites Mal aussetzen wollte. Und da in unserer Ehe immer das geschieht, worauf wir uns einigen, einigten wir uns darauf, daß ich allein zu den Rosenblatts gehen und meine Frau mit einer kleinen Grippe entschuldigen würde.
Die Rosenblatts bedauerten, daß ich ohne meine Gattin gekommen war, und wünschten ihr baldige Besserung. Sodann diskutierten wir die Probleme des Mittelstandes und warteten auf Bernie. Um mir die Wartezeit zu verkürzen, breitete Mrs. Rosenblatt eine Unzahl von Fotografien vor mir aus, die ich der Reihe nach und sehr genau betrachten mußte.
Während ich noch damit beschäftigt war, betrat ein etwas dicklicher, sommersprossiger Knabe das Zimmer: Bernie selbst. Trotzdem bestand Mrs. Rosenblatt darauf, daß ich die Besichtigung der Fotos beendete. Sie wären viel ähnlicher, sagte sie.
Als ich fertig war, erhob Mr. Rosenblatt ein strahlendes Vatergesicht zu seinem neben ihm stehenden Sohn:
»Bernie, begrüße unsern Gast!«
»Hey«, sagte Bernie. »Gehen Sie mit dem Messer auf mich los!«
»Wie bitte?« Ich wandte mich ungläubig an die Eltern.
»Was will der Junge von mir?«
Beide Rosenblatts platzten vor Stolz:
»Folgen Sie ihm nur ruhig«, ermunterte mich der Papa.
»Gehen Sie mit dem Messer auf ihn los!«
»Aber warum? Er hat mir doch nichts getan?«
Jetzt schaltete sich Mrs. Rosenblatt ein: Bernie hätte im Camp einen Judo-Kurs absolviert und könnte jeden Erwachsenen, der ihn anzugreifen wagte, sofort kampfunfähig machen. Und ich sollte ihm doch den kleinen Spaß nicht verderben.
Ich berief mich nachdrücklich auf meinen vollkommenen Mangel an Erfahrung in solchen Dingen. Es sei nicht meine Art, sagte ich, auf Kinder mit dem Messer loszugehen, besonders im Ausland.
Da verlor Mr. Rosenblatt die Geduld. Begierig, das Schauspiel beginnen und seine Sohn triumphieren zu sehen, ergriff er von einem nahen Teller ein Obstmesser, drückte es mir in die Hand und schob mich vor Bernie hin. Was jetzt geschah, war fürchterlich. Der lebfrische junge Rosenblatt trat mich sofort ins linke Schienbein, und zwar mit solcher Wucht, daß ich mich vor Schmerzen krümmte. Als ich aber sah, daß er sich auch noch über mein rechtes Schienbein hermachen wollte, wurde es mir zu bunt. Mein Gesicht verzerrte sich. Besinnungslos vor Wut stürzte ich auf ihn los.
Bernie stieß einen spitzen Angstschrei aus, machte kehrt und entfloh. Ich sauste ihm mit geschwungenem Messer nach. Jetzt wollte ich es ganz genau wissen. Hatte er von mir verlangt, mit dem Messer auf ihn loszugehen, oder hatte er es nicht verlangt?
Am Ende der Treppe erwischte ich ihn und hielt ihn fest, wie sehr er auch jaulte und strampelte. Aber gerade als ich das Messer ansetzte, um ihn zu schlachten, rutschte er aus dem Hemd und rannte weiter. Mittlerweile kamen die besorgten Eltern schreiend die Treppe heruntergeeilt und fragten, was ich denn eigentlich täte?
»Ich gehe mit dem Messer auf ihn los,« antwortete ich.
»Warum fragen Sie?«
Und das Messer noch immer in der Hand, jagte ich Bernie durch den Garten.
Er muß in diesen Minuten ein anderer Mensch geworden sein, obwohl ich ihn nicht mehr zu fassen bekam. Der Inhaber des nahe liegenden Friseurladens, ein ehemaliger Cowboy, fing mich mit dem Lasso, als ich dem schrill kreischenden Judo-Kämpfer über den Zaun nachsetzen wollte. Ich leistete keinen Widerstand und ließ mich entwaffnen. Auch nächstes Jahr gibt es ein Sommer-Camp, dachte ich, und Bernie kann noch lernen. Aber wenn mich nicht alles täuscht, liegt seine Zukunft weniger im Judo als im Langstreckenlauf.
Das sozialistische Lager verwendet hämische Anführungszeichen, wenn es vom »Paradies« - Amerika spricht. Den Amerikanern selbst liegt nichts ferner. Sie fühlen sich in ihrem Land paradiesisch wohl. Und es geht ihnen ja auch wirklich großartig.
Damit meinen sie nicht so sehr den materiellen
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