Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.
Ihnen? Ein Jude dem anderen? Sie werden sich in diesem Wagen wie ein König vorkommen! Und wenn Sie Musik hören wollen, brauchen Sie nur das Radio anzudrehen.«
Smiling Joe zeigte mir den Knopf und drehte ihn an. Sofort setzten sich die Scheibenwischer in Betrieb.
»Wer zum Teufel braucht ein Radio?« fragte Smiling Joe beseligt. »Was bekommt man da schon zu hören? Den ganzen Tag lang Schallplatten. Vollkommen überflüssig. Viel wichtiger ist, daß Sie einen phantastischen Führersitz haben, den Sie sogar verschieben können.«
Ich versuchte den Sitz zu verschieben - und er verschob sich. Ich versuchte es noch einmal - und er verschob sich wieder. Warum hatte Smiling Joe dann aber gesagt, daß sich der Sitz verschieben ließ? Das war verdächtig. Ich nahm eine gründliche Untersuchung des Wagens vor - er war so gut wie neu.
»Er ist so gut wie neu«, grinste Smiling Joe. »Er hat nicht mehr drauf als 17 000 Meilen.«
Das konnte nicht wahr sein. Ich warf einen Blick auf den Zähler. Er zeigte 3000 Meilen. Mein Mißtrauen wuchs:
»Wieso zeigt er nur 3000?«
»Leicht zu erklären. Der frühere Besitzer war ein Leuchtturmwärter, der immer nur um seinen Leuchtturm herumfahren konnte.«
Jetzt hatte ich genug. Wenn ich Smiling Joes Verkaufstechnik richtig interpretierte, mußte der Wagen spätestens nach hundert Metern auseinanderfallen.
»Schön«, sagte ich. »Dann werden wir leider kein Geschäft miteinander machen. Ich lasse mich nicht zum Narren halten.
»Ganz wie Sie wünschen.«
Zum ersten Mal verlor sich das Grinsen auf Smiling Joes Gesicht.
»Wie komme ich nach Hause?«
»Per Auto?«
»Nein. Zu Fuß.«
»Immer nach Osten, mein Freund, immer nach Osten...«
Ich überlegte: wenn Smiling Joe »Osten« sagte, wäre »Westen« vermutlich das Richtige. Aber da man sich bei ihm nicht einmal auf das Gegenteil seiner Aussagen verlassen kann, ging ich wohl am besten nach Süden.
Auf meinem Weg in nördlicher Richtung kam ich durch fruchtbares Ackerland, durch schattige Wälder mit Bächen und Wasserfallen - und trotzdem nach Hause. Unser Nachbar stützte mich die Stiegen hinauf und informierte mich (leider zu spät), daß man in Amerika zum Ankauf eines Gebrauchtwagens unbedingt mit dem eigenen Wagen vorfahren müsse. Ich erzählte ihm, was ich mit Smiling Joe erlebt hatte.
»Ja, ja«, sagte mein Nachbar nicht ohne Bewunderung. »Smiling Joe ist ein wahres Verkaufsgenie. Der verkauft noch einmal Kühlschränke an Eskimos!«
Ich pries mich glücklich, daß ich kein Eskimo war, und brach erschöpft zusammen.
Auf den Ankauf eines Gebrauchtwagens habe ich für die Dauer meines Aufenthalts in Amerika verzichtet. Statt dessen streckte ich vorsichtige Fühler nach Onkel Harry aus: Ob er mir gelegentlich seinen Wagen borgen würde? Zu meiner Überraschung war Onkel Harry sofort einverstanden: »Selbstverständlich«, sagte er. »Er ist ja versichert.«
Im übrigen kann ich mir besser als je zuvor die erste Begegnung ausmalen, die Kolumbus nach seiner Landung in Amerika mit einem Eingeborenen hatte:
»Sei gegrüßt, Big Chief«, sagte Kolumbus. »Vor dir steht der Gesandte des glorreichen Throns von Spanien.«
»Bedaure«, sagte der Eingeborene. »Dienstag und Donnerstag darf nur auf der pazifischen Seite geparkt werden.«
Eines Morgens erwachte ich mit Zahnschmerzen. Mit ganz gewöhnlichen, ungemein schmerzhaften Zahnschmerzen. Irgend etwas in meinem linken Unterkiefer war nicht in Ordnung, schwoll an und schmerzte.
Ich fragte Tante Trude, ob es hier in der Gegend einen guten Zahnarzt gäbe. Tante Trude kannte ihrer drei, alle in nächster Nähe, was in New York ungefähr soviel bedeutet wie 25 Kilometer Luftlinie.
Ich wollte wissen, welcher von den drei Zahnärzten der beste sei. Tante Trude sann lange vor sich hin:
»Das hängt davon ab. Der erste hat seine Ordination in der Wall Street. Dort wimmelt es von Zeitungsreportern, und wenn jemand einen Parkplatz findet, wird er sofort von ihnen interviewt. Ich weiß nicht, ob du das mit deinen Zahnschmerzen riskieren willst. Der zweite hat eine direkte Autobusverbindung von seinem Haus zum nächsten bewachten Parkplatz, aber er ist kein sehr angenehmer Arzt. Ich würde dir zu Dr. Blumenfeld raten. Er wohnt in einem ähnlichen Cottage- Viertel wie wir und hebt in seinen Annoncen immer hervor, daß man dort manchmal in einer nicht allzu weit entfernten Seitenstraße Platz zum Parken findet.« Das war entscheidend. Und mein Unterkiefer war um diese Zeit
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