Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.
schon so angeschwollen, daß es keine Zeit mehr zu verlieren gab. Ich nahm Onkel Harrys Wagen und sauste los. Es dauerte nicht lange, bis ich Dr. Blumenfelds Haus gefunden hatte. Auch die im Inserat angekündigten Seitenstraßen waren da, nicht aber der im Inserat angekündigte Platz zum Parken. An beiden Straßenseiten standen die geparkten Wagen so dicht hintereinander, daß nicht einmal die berühmte Stecknadel hätte zu Boden fallen können; sie wäre auf den fugenlos aneinandergereihten Stoßstangen liegengeblieben.
Eine Zeitlang kreuzte ich durch die Gegend wie ein von seiner Flugbahn abgekommener Satellit.
Dann geschah ein Wunder. Ich sah es. Das heißt, ich sah ein Wunder im Anfangsstadium. Ich sah einen amerikanischen Bürger, der sich an der Tür seines geparkten Wagens zu schaffen machte. Schon hielt ich an seiner Seite:
»Fahren Sie weg?«
»Ob ich - was? Ob ich wegfahre?« Er wollte seinen Ohren nicht trauen. »Herr, ich habe auf diesen Parkplatz zwei Jahre lang gewartet und habe ihn erst im vorigen Herbst erobert. Damals nach dem Hurrikan, der alle hier geparkten Wagen weggefegt hat...«
Jetzt fiel mir auf, daß das Dach seines Wagens, genau wie das der anderen, mit einer dicken Staubschicht bedeckt war. Da gab es also nichts zu hoffen.
Wo ich denn möglicherweise einen Parkplatz finden könnte, fragte ich.
Die Antwort, nach längerem Nachdenken und Hinterkopfkratzen erteilt, verhieß wenig Gutes:
»Einen Parkplatz finden... Sie meinen: einen freien Parkplatz? In Texas soll es angeblich noch einige geben. Vergessen sie nicht, daß sich die Zahl der Autos jedes Jahr um ungefähr fünfzehn Millionen vermehrt. Und die Länge der Autos jedes Jahr um ungefähr zehn Inch. Der letzte Gallup-Poll hat ergeben, daß dreiundachtzig Prozent der Bevölkerung das Parkproblem für die gefährlichste Bedrohung ihres Lebens halten. Nur elf Prozent haben Angst vor dem Atomkrieg.«
Mit diesen Worten zog er einen Roller aus dem Fond seines Wagens, stieg mit einem Fuß darauf und ließ den Wagen unverschlossen stehen.
»He! Sie haben nicht abgesperrt!« rief ich ihm nach.
»Wozu?« rief er zurück. »Niemand stiehlt mehr ein Auto. Wo sollte er es denn parken?«
Mein Zahn trieb mich weiter. Aber es war ganz offenbar sinnlos. Wohin man blickte, stand geparktes Auto an geparktem Auto, und wo kein Auto stand, stand ein Pfosten mit einer Tafel, und auf der Tafel stand die Inschrift: »Von Anfang Juli bis Ende Juni Parken verboten«, oder »Parkverbot von 0 bis 24 Uhr, Sonn- und Feiertage von 24 bis 0 Uhr.« War aber irgendwo kein Wagen und keine Tafel zu sehen, so stand dort todsicher ein Feuerhydrant, dem man in Amerika unter Androhung schwerster Geld- und Freiheitsstrafen nicht in die Nähe kommen darf, nicht einmal wenn es brennt.
In einer schon etwas weiter entfernten Straße fand ich eine Affiche, aus der hervorging, daß hier am 7. August zwischen 3 und 4 Uhr nachmittags geparkt werden durfte. Ich erwog ernsthaft, so lange zu warten, aber mein Zahn war dagegen.
Endlich schien mir das Glück zu lächeln. Vor einem großen Gebäude sah ich einen leeren, deutlich für Parkzwecke reservierten Raum mit der Aufschrift: »Kostenloses Parken für unsere Kunden.«
Rasch wie der Blitz hatte ich meinen Wagen abgestellt, stieg aus, fand mich im nächsten Augenblick von hinten an beiden Schultern gepackt und im übernächsten auf den Stuhl gedrückt, der im Büro einer Versicherungsgesellschaft stand.
»Guten Morgen, mein Herr«, begrüßte mich der Mann hinterm Schreibtisch.
»Wie lange?«
»Ungefähr eineinhalb Stunden.«
Der Versicherungsagent blätterte in seiner Tarifliste:
»Das Minimum für neunzig Minuten ist eine Feuer- und Hagelversicherung auf 103000 Dollar.«
Ich erklärte ihm, daß der Wagen bereits versichert war.
»Das sagen alle. Darauf können wir keine Rücksicht nehmen.«
»Und ich kann keine Versicherung auf 10000 Dollar nehmen.«
»Dann müssen Sie eben wegfahren.«
»Dann werde ich eben wegfahren.«
Gegenüber dem Versicherungsgebäude befand sich ein Kino. Hinter dem Kino befand sich ein großer Parkplatz. Auf dem großen Parkplatz befanden sich viele große Wagen. Vor den Wagen befanden sich Parkuhren, die sechzig Minuten Maximalzeit vorschrieben. Aus dem Kino kamen fast pausenlos Leute herausgeeilt, warfen Münzen in die Parkuhren und eilten zurück.
Bei Einbruch der Dunkelheit ging mir das Benzin aus. Ich fuhr zu einer Tankstation, und während der Tank gefüllt wurde, fragte ich
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