Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
auf den Nachttisch. Lieber Gott, dachte sie, hilf mir, einen Ausweg zu finden. Sie ist alt. Du hast sie zu lieben, du musst es versuchen. Aber es war schwer, all die Jahre verbissener Abneigung zu vergessen und dann die bitteren Worte und den Hohn in letzter Zeit.
Magda sah sie an. »Du könntest es nicht länger ertragen als ich. Ich will in mein eigenes Haus. Sie werden nicht wiederkommen, sie haben das, was sie wollten.«
»Das kannst du nicht wissen.«
»Sollte ich aber.«
»Ich habe bei einer Firma für Sicherheitstechnik angerufen, die sich das Haus morgen anschauen wird.«
»Was soll das bringen? Jede Nacht geht irgendwo eine Alarmanlage los, den Leuten wird wahrscheinlich die Kehle aufgeschlitzt, aber keinen interessiert es, die Polizei kommt garantiert nicht. Also spar dir das Geld.«
»Mutter, ich kann nicht einfach wegfahren und dich alleinlassen, ich …«
»Was? Du wirst das tun, was du immer tust. Singen und beten.«
»Und mir um dich Sorgen machen.«
»Ich dachte, das hättest du hinter dir. Vertraue auf Gott und so weiter.«
Eines Tages rutscht mir die Hand aus. Eines Tages bringe ich sie noch um. Eines Tages … Aber das hatte sie überwunden, schon vor Jahren, wenn sie aus der Schule kam, zitternd vor angestauter Wut, falls ihre Mutter zu Hause war, nur entspannt, wenn Magda in der Klinik war oder Vorlesungen hielt oder, herrlich, im Ausland war. Manchmal waren Jane und ihr Vater wochenlang allein gewesen. Sie hatten einander über den Esstisch angeschaut und es nie laut ausgesprochen, sich jedoch dabei erwischt, wie sie die ihnen verbleibenden Tage der Freiheit und des Friedens zählten, es an den Augen des anderen ablasen.
Doch Magda war jetzt schwach, dachte Jane, schwach und verängstigt und verwirrt. Und als es passierte, hat sie mich angerufen. Bedeutete das nicht etwas?
»Ich muss einen Artikel für das nächste Journal schreiben, und Elsbeth erwartet von mir, dass ich unser letztes Kapitel überarbeite. Ich muss das fertigmachen, Jane. Ich habe immer noch viel zu tun, bevor ich sterbe.« Das sagte sie ganz nüchtern und meinte es auch so.
»Ich weiß. Du hast noch vieles zu geben.«
»Sentimentalität.«
»Nein. Die Wahrheit.«
»Erinnerst du dich an Charlie Gold? Den Sohn von Maurice Gold?«
»Lieber Gott … Ja, ich erinnere mich … In den war ich mal ein bisschen verknallt. Warum?«
»Zu Hause liegt irgendwo eine Einladung zu seiner Hochzeit. Sonntag in einer Woche, glaube ich. Ich würde gern hingehen.«
»Charlie Gold.« Sie sah ihn vor sich, dunkles Haar, olivfarbene Haut, dicke Augenbrauen. Du meine Güte.
»Wen heiratet er?«
Ihre Mutter zuckte die Schultern. »Ich kann die Synagoge nicht ausstehen. Seit dem Tod deines Vaters bin ich nicht mehr dort gewesen. Aber es würde mir nichts ausmachen, auf einer jüdischen Hochzeit zu sterben.«
»Ich wette, das passiert einer ganzen Reihe von Leuten … All das Essen, das Tanzen, als wären sie noch zwanzig … Und dann Rums.«
Jane fielen die Streitigkeiten ein, die sie aus ihrem Zimmer mitbekommen hatte, die Salven an Vorwürfen, die Verzweiflung in der Stimme ihres Vaters. Er hatte darunter gelitten, nicht nur eine Nichtjüdin geheiratet zu haben, sondern auch noch eine Ungläubige, eine Rationalistin, eine Marxistin, eine Frau, die ihm ins Gesicht gelacht hatte, wenn er vorschlug, gelegentlich zum Sabbatessen seiner Eltern zu gehen.
Wenn Magda fort war, hatte Jane ihn an ihrer Stelle begleitet. Die Erinnerung an die Feier, das Essen, die Gebete, die Heimeligkeit waren ihr lieb und teuer. Sie hatte es ihrer Mutter nie erzählt, und als ihre Großeltern nacheinander im Abstand von sechs Monaten starben, war es, als wäre alles zum Stillstand gekommen, als wäre die Verbindung zu ihrem Jüdischsein abgeschnitten worden. Dann war ihr Vater gestorben. Sie hatte das alles fast aus dem Gedächtnis verloren, bis Neuigkeiten wie diese, über jemanden, den sie einst gekannt hatte, alles zurückbrachten, wie ein Hauch aus einem Weihrauchfass, dessen Duft auf sie zuströmte.
»Glaubst du, diese Jugendlichen kannten mich?«, fragte ihre Mutter. Einen flüchtigen Augenblick lang flackerte Angst in ihren Augen auf.
»Nein … Denen hat das Haus gefallen, und sie haben gedacht, dass es da was zu holen gibt. Sie haben erwartet, dass es leer ist, aber du warst da, und sie haben den Kopf verloren. Woher sollten sie dich kennen? Du hast sie nicht erkannt.«
»Meinst du, sie haben es vorher
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