Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
ihm im Vergleich wie eine zahme Routineangelegenheit.
Der Bungalow lag still in der Sonne, mit zugezogenen Vorhänden. Nichts bewegte sich. Nichts war zu sehen. Er hatte eine Vorahnung. Kein Haus, in dem sich Menschen aufhielten, sollte so still sein. Das Team wartete, blickte ihm nach. Jemand lehnte sich aus dem Fenster des großen Hauses nebenan. Er hörte die verzerrten Stimmen aus einem Walkie-Talkie.
Er erreichte die Eingangstür und klopfte, plötzlich und laut, so dass die Insassen aufschrecken würden.
Er meinte, ein leises, scharrendes Geräusch zu hören, aber dann flatterte eine Amsel aus dem Busch neben ihm auf und flog über den Garten, ließ ihren Warnruf ertönen und löschte alle Geräusche aus, die aus dem Haus hätten kommen können. Er hob die Briefkastenklappe. Auf der Innenseite war ein Stück Stoff angebracht, daher konnte er nichts sehen.
»Polizei. Wenn Sie da drinnen sind und mich hören können, würden Sie sich dann bitte melden? Ich möchte mit Ihnen reden.«
Er wartete. Stille.
»Ich möchte mit Ihnen sprechen. Bitte sagen Sie mir, wer Sie sind.«
Die Stille war so dicht, so absolut, dass er sich fast umgedreht und dem Team bedeutet hätte, mit der Ramme zu kommen, um die Tür aufzubrechen. Falls jemand in diesem Bungalow war, dann lebte er bestimmt nicht mehr.
Die Amsel sang in einem Magnolienbaum.
»Was wollen Sie?«
Die Stimme war leise und kam nur Zentimeter entfernt von der anderen Seite der Briefkastenklappe.
»Ich bin DCI Simon Serrailler. Ich würde gerne wissen, wer da drinnen ist. Würden Sie bitte die Tür öffnen, damit ich nachschauen kann, ob alles in Ordnung ist?«
»Nein.«
»In dem Fall können Sie mir vielleicht wenigstens Ihren Namen nennen. Wenn da etwas passiert ist, würde ich gerne versuchen, zu helfen.«
»Da ist nichts.«
»Würden Sie mir Ihren Namen nennen?«
Eine Pause entstand. Dann: »Müssen Sie so schreien?«
»Wenn Sie mich hören können, dann nicht.«
»Kommen Sie zum Fenster.«
»Welchem?«
»Dem vorderen. Sie schläft.«
»Wer schläft? Können Sie mir sagen, wer Sie sind und wer sonst noch mit Ihnen im Haus ist? Hier wohnt Reverend Jane Fitzroy. Können Sie mir sagen, ob Sie da drinnen bei Ihnen ist?«
Jetzt waren Schritte zu hören, die sich leise zurückzogen. Simon wartete. Dann, nachdem er dem Team signalisiert hatte, dass ein Kontakt hergestellt war, ging er zum Vorderfenster. Die Vorhänge waren zugezogen, und einen Moment lang war nichts zu hören, keine Bewegung zu sehen. Gleich darauf wurde ein Fensterflügel ein Stückchen geöffnet.
»Versuchen Sie nicht, einzudringen.«
»Werde ich nicht.«
»Bleiben Sie, wo Sie sind.«
»Ich bleibe hier stehen, vor dem Fenster. Ich werde nicht versuchen, ins Haus zu kommen. Ich möchte nur mit Ihnen reden. Es wäre wirklich hilfreich, wenn ich wüsste, mit wem ich spreche.«
Eine Pause.
»Wie heißen Sie noch mal?«
»DCI Simon Serrailler.«
»Wieso sind Sie hier?«
»Jemand hat uns angerufen, weil er Schreie gehört hat.«
»Ihr geht’s gut. Hab ich doch gesagt. Sie schläft.«
»Wer schläft? Können Sie mir wenigstens das sagen?«
»Ihr geht’s gut.«
»Und Ihnen?«
»Nicht. Nicht gut.«
»Was ist passiert?«
»Lizzie.«
»Ist Lizzie da bei Ihnen?«
»Lizzie ist tot.«
»Verstehe. Können Sie mir sagen, wer bei Ihnen ist?«
»Warum?«
»Ich muss wissen, ob mit der Person alles in Ordnung ist. Ist es Miss Fitzroy? Geht es ihr gut?«
»Ihr geht es gut.«
»Warum wollen Sie mir Ihren Namen nicht nennen? Ich bin Simon, Sie …«
»Ich bin doch nicht schwachsinnig, Sie haben mir Ihren Namen schon genannt, also reden Sie nicht so mit mir.«
»Ich möchte Sie doch nur dazu bringen, mir Ihren Namen zu nennen, mehr nicht.«
»Okay. Okay. Max. Max, Max, Max, Max, Max, Max, Max … Scheiße. MAX.«
»Danke. Max.«
»Max Jameson.«
Einen Moment lang klang er müde. Müde genug, um aufzugeben? Vielleicht hatte er genug.
»Na gut, Max … Gibt es einen Grund, warum Sie mich nicht hineinlassen wollen?«
»Sie schläft.«
»Wer?«
»Sie. Ich will sie nicht stören.«
»Gut. Das brauchen wir auch nicht. Solange ich mich versichern kann, dass mit ihr alles in Ordnung ist – mit Ihnen beiden –, können wir sie schlafen lassen.«
»Ihr geht’s gut. Lizzie nicht, Lizzie ist tot, aber ihr geht’s gut.«
»Erzählen Sie mir von Lizzie, Max.«
»Lizzie.«
Er sprach den Namen aus, als wäre er ihm fremd. Als müsse er ihn erst ausprobieren.
»Lizzie«,
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