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Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Titel: Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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ihr das Blut in den Adern gefrieren, weil es weder sein Gesicht erhellte noch seine Augen erreichte. Vielleicht, dachte sie plötzlich, geht es nicht nur um Lizzie. Vielleicht ist er nicht einfach nur außer sich wegen ihres Todes. Vielleicht ist er tatsächlich wahnsinnig. Und gefährlich. Und verzweifelt. Vielleicht …
    Vom Fenster kam ein Geräusch. Max sprang auf und erreichte es mit einem raschen Schritt, hob aber den Vorhang nicht an. Er lauschte konzentriert, doch als Jane sich bewegte, drehte er sich so schnell um, dass sie erstarrte. Er blickte auf die Messer, dann zu ihr.
    »Max?« Die Stimme eines Mannes von draußen. »Bitte kommen Sie ans Fenster und sprechen Sie mit mir. Ist alles in Ordnung?«
    Eine langanhaltende Stille entstand. Die Sonne kroch über das kleine Tischchen, fing sich im Rahmen der Fotografie ihres Vaters. Ein Schmetterling saß mit ausgebreiteten Flügeln in einer Ecke der weißen Wand, ein roter Admiral, prächtig und zitternd in der Wärme.
    »Max?«
    Bitte. Bitte …
    »Ich bin hier.«
    »Würden Sie das Fenster öffnen?«
    Er zögerte, schob dann den Griff ein wenig nach vorne.
    »Danke. Könnten Sie den Vorhang öffnen?«
    »Warum?«
    »Weil es sich leichter mit jemandem redet, den man sehen kann.«
    »Ich kann reden.«
    Eine Pause.
    »Ist Jane da?«
    Max antwortete nicht.
    »Kann ich mit Jane sprechen?«
    »Nein.«
    »Geht es ihr gut?«
    »Warum?«
    »Kommen Sie, Max, beruhigen Sie mich bitte. Sie verstehen schon, warum.«
    »Jane ist hier.«
    »Würden Sie sie ans Fenster kommen lassen?«
    »Nein.«
    »Wie lange wollen Sie da noch bleiben, Max? Wir wissen nicht einmal, warum … Wenn Sie mir erzählen, was Sie wollen, könnte ich Ihnen dabei vielleicht helfen.«
    »Sind Sie Gott?«
    »Nein.«
    »Meine Frau ist tot. Können Sie mir dabei helfen?«
    »Sie wissen, dass ich das nicht kann. Ich verstehe Ihre Qual, ich weiß, was …«
    »Wirklich? Was wissen Sie denn schon, verdammt?«
    Eine kurze Pause entstand. Dann sagte der Mann: »Ich weiß, wie es ist, wenn jemand stirbt, den man liebt. Ich bin ein menschliches Wesen, und mir ist das auch schon passiert, und daher weiß ich es.«
    »Ihre Frau?«
    »Nein, aber kommt es darauf denn an?«
    Max blickte zu Jane.
    »Nein«, sagte sie.
    »Sie sagt …«
    »Was war das? Ich kann Sie nicht gut verstehen, könnten Sie ein bisschen näher ans Fenster kommen?«
    »Nein. Sagt sie.«
    »Wer? Jane?«
    Max wartete.
    »Möchten Sie mit jemandem sprechen?«
    »Ich dachte, das tue ich bereits.«
    »Ich könnte einen Trauerberater holen, wenn das …«
    Max lachte.
    »Gut, dann erzählen Sie mir einfach, wenn Sie es wissen, warum Sie da drinnen sind und warum Sie Jane festhalten. Können Sie mir das sagen? Es muss einen Grund dafür geben. Intelligente Menschen machen so etwas nicht einfach so. Was wollen Sie? Max, wir werden Ihnen helfen, so gut wir können, aber niemand von uns kann Ihre Frau wieder lebendig machen. Jane nicht. Ich nicht. Niemand. Sie wissen das eigentlich genau, nicht wahr?«
    »Gott kann es.«
    »Glauben Sie das?«
    »Nein.«
    »Wer glaubt das? Jane?«
    »Ich weiß es nicht … nein. Nein. Sollte sie?«
    »Das bezweifle ich. Haben Sie überhaupt geschlafen?«
    »Nein. Ich weiß nicht.«
    »Sie können nicht klar denken, wenn Sie erschöpft sind. Warum kommen Sie nicht heraus, und wir bringen Sie nach Hause, damit Sie schlafen können … Alles wird nur noch viel schlimmer erscheinen, je länger Sie dort drinnen bleiben.«
    »Nichts könnte schlimmer sein.«
    »Ich glaube, Ihnen ist klar, dass Sie es schlimmer machen, nicht wahr?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Ich möchte Sie sehen können.«
    »Warum?«
    »Hilft mir, mit Ihnen zu reden. Könnte Ihnen helfen, mit mir zu reden, wenn wir uns sehen.« Max bewegte sich nicht.
    »Haben Sie genug zu essen?«
    »Wir haben was gegessen.«
    »Ist noch was im Haus? Milch, Tee … all so was?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Ich könnte das alles bringen lassen, wenn Sie mir sagen, warum Sie da drinnen sind. Helfen Sie mir, Max … Ich verstehe nicht, was da vorgeht. Helfen Sie mir bitte.«
    Max schloss das Fenster.
    Jane saß zusammengesunken auf dem Sofa, den Blick zu Boden gerichtet. Er starrte sie an. Er hatte gedacht, sie sei wie Lizzie, aber jetzt erkannte er, dass sie das nicht war. Sie war jünger. Kleiner. Haar und Augen von einer anderen Farbe, die Haut blasser. Anders. Sie trug Kleider, die Lizzie nie getragen hätte. Sie war nicht wie Lizzie. Nicht Lizzie. Er setzte

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