Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
hatte.
»Was …?« Ihre Kehle war trocken vor Furcht. »Was ist passiert? Warum haben Sie … Was sollen die Messer hier?«
Er stand auf, und sie wich unter die Decke zurück, aber er kam nicht näher, drehte sich nur um, hob die Ecke des Vorhangs ein wenig an und lugte hinaus.
Erst als er sich wieder umgedreht hatte, erkannte sie, dass sie Zeit gehabt hätte, nach einem der Messer zu greifen.
»Jemand ist gerade dort draußen gewesen«, erwiderte er in normalem Plauderton, »aber er scheint weggegangen zu sein.«
»Wer?«
Er zuckte die Schultern.
»Max, inzwischen wird aufgefallen sein, dass ich fehle. Jemand wird kommen, um mich zu suchen. Ich hatte einen Termin im Krankenhaus, ich hätte im Büro des Deans etwas erledigen sollen … Die Leute werden …«
»Das haben sie anscheinend schon getan. Keine Bange, sie werden wiederkommen.«
»Haben Sie mit jemandem gesprochen?«
»Ja.«
»Mit wem?«
Wieder zuckte er die Schultern.
»Ich verstehe nicht, was Sie wollen. Bitte, bitte sagen Sie mir, was das alles soll.«
»Das wissen Sie.«
»Lizzie … ja, das weiß ich, aber ich verstehe nicht, wie es Ihnen helfen soll, mich hier festzuhalten. Es kann Lizzie nicht zurückbringen, das müssen Sie akzeptieren. Was auch immer Sie mir antun, kann das, was geschehen ist, nicht rückgängig machen. Ich muss das sagen. Selbst wenn Sie … mich mit einem von diesen Dingern da erstechen, wird es nichts an dem ändern, was geschehen ist.«
»Nein.«
»Warum machen Sie das dann?«
»Um es Gott heimzuzahlen.«
»Glauben Sie an Gott?«
»Nein. Aber Sie.«
»Das ergibt keinen Sinn.«
»Nichts davon ergibt einen Sinn. Weder der Tod, noch dass Lizzie tot ist.«
»Und indem Sie mich hier festhalten, denken Sie irgendwie … was? Ich versuche zu verstehen, was in Ihnen vorgeht, doch das ist ziemlich schwer.«
»Sie werden es nie verstehen. Sie können es nicht.«
»Wie fühlen Sie sich?«
»Wie bitte?«
»Sie sind wütend und verstört, ich weiß, aber was noch? Wie sieht es in Ihrem Kopf aus … Können Sie klar denken?«
»O ja.«
»Weil ich das nicht erkenne.«
»Nein.«
Sie verstummte. Er sah grau und zerzaust aus, seine Augen waren trüb. Er wirkte eher erschöpft als wahnsinnig oder zornig.
Lieber Gott, gib mir die richtigen Worte.
Aber ihr fiel nichts ein. In ihrem Kopf war nur weiße, schimmernde Leere.
»Welche Art Gott haben Sie, Jane?«
Ihre Kehle wurde eng. Sie wusste es nicht.
»Den sanften Jesus? Den Heiler? Den Barmherzigen? Als wir bei dem Gottesdienst in der Kapelle waren und sie für Lizzie beteten, sprachen sie von Barmherzigkeit und Heilung und Trost und Gnade, und Lizzie sagte, es hätte ihr geholfen, aber ich verstehe das nicht. Wie kann es ihr geholfen haben? Ihre Krankheit wurde schlimmer, und sie starb. Ihr Tod war grauenvoll, wissen Sie. Wir müssen alle sterben. Ich verstehe das nicht.«
Verstehe ich es?, dachte Jane. Jetzt war in ihrem Kopf nur noch Schwärze und Wirbel und Gefahr, keine friedliche, wundervolle Leere. »Ich weiß es nicht. Ich behaupte nicht, alle Antworten auf Leben und Tod zu haben.«
»Warum nicht?«
»Dafür sind Sie zu intelligent, Sie müssen doch wissen, dass ich das nicht vortäusche, ich kann nur glauben. Glaube. Es geht um Glauben. Und um Vertrauen.«
»Lizzie hat vertraut.«
»Woher wissen Sie, dass ihr Vertrauen nicht gerechtfertigt war? Das wissen Sie nicht. Es gibt viele Arten des Heilens.«
»Und die wären?«
»Max, hören Sie zu … Ich bin erschöpft. Ich muss duschen, und ich brauche etwas zu essen und frische Luft. Genau wie Sie. Wir brauchen Normalität. Ich kann nicht klar denken. Ich kann so ein Gespräch nicht führen, wenn ich bedroht werde … Wie sollte ich? Ich werde mit Ihnen reden, mit Ihnen beten … alles Mögliche … aber nicht so.«
»Es war die Polizei.«
»Wie bitte?«
»Ein Polizist. Er hat geredet, und dann ist er gegangen.«
»Wenn die Polizei hier ist, müssen Sie damit aufhören. Sie haben nichts Falsches getan, und ich würde im Traum nicht daran denken, Sie anzuzeigen, aber Sie müssen die Tür öffnen und mich gehen lassen.«
»Nein.«
»Die Polizisten können die Tür aufbrechen.«
»Sie sind weg.«
»Nein. Vielleicht haben sie sich zurückgezogen, doch sie werden nicht gegangen sein. Natürlich nicht.«
»Niemand wird die Tür aufbrechen. Das werde ich nicht zulassen.«
»Sie können es nicht verhindern. Kommen Sie … denken Sie nach.«
Jetzt lächelte er, und das Lächeln ließ
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