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Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Titel: Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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jeden Samstag und Sonntag. Ed. Ed. Ed. Ed.
    Dann konnte doch nichts Schlimmes passiert sein, nichts allzu Schlimmes, wenn sie ständig davon redete, jeden Morgen, jeden Abend. Oder? Wie könnte das sein? Kyra hatte nie irgendwas erwähnt. Sie hätte nicht mehr hingehen wollen, wenn …
    Der Polizeitransporter leuchtete weiß und eckig und merkwürdig in der Sonne. Natalie fragte sich, was wohl darin war.
    Von oben kam kein Geräusch. Überhaupt kein Geräusch.
    Sie zündete sich die nächste Zigarette an und würde sie zu Ende rauchen, bevor sie mit Kyra redete.

    Man konnte Eds Haus von ihrem Zimmer aus sehen. Sobald Kyra nach oben geschickt worden war – was dauernd passierte –, hatte sie ihren kleinen Hocker vorsichtig zum Fenster getragen, damit sie von dort aus sehen konnte, falls Ed zurückkam. Jeden Tag hoffte sie, dass Ed zurückkommen würde. Jeden Tag wusste sie, dass Ed zurückkommen würde. Sie sah Leute in Eds Haus gehen und herauskommen, und wenn Ed zurückkam, würde sie ihr alles erzählen. Ed wusste es vielleicht nicht. Es würde ihr bestimmt nicht gefallen. Ed war stolz auf ihr Haus. Das hatte sie oft gesagt.
    »Ich bin eine ordentliche Hausfrau.« – »Zieh deine Schuhe aus, Kyra, ich möchte keine Schmutzflecke auf dem Boden haben, ich bin eine ordentliche Hausfrau.« – »Wasch deine Hände, nachdem du das gegessen hast, Kyra, ich möchte keinen Kuchenteig auf den Möbeln, ich bin eine ordentliche Hausfrau.«
    Es war wunderschön in Eds Haus, und Kyra wollte nicht, dass die Männer es unordentlich machten. Die Böden glänzten immer, und auf den Teppichen lagen keine Krümel. Alles hatte seinen Platz, ordentlich und sorgfältig, und die Möbel rochen nach Politur. Die Kissen auf dem Sofa waren genau ausgerichtet, und wenn man die Becher wieder an ihre Haken hängte, musste man die richtige Reihenfolge einhalten. Kyra tat das. Sie hatte es gelernt. Ed hatte es ihr beigebracht.
    »Wenn du hier bei mir sein willst, musst du die Regeln lernen, Kyra. Der blaue, dann der weiße, dann der grüne, der pinkfarbene, der gelbe und als Letzter wieder ein blauer.«
    »Warum müssen sie so hängen?«
    »Weil es mir gefällt.«
    »Ja, aber warum?«
    »Deswegen. Weil es mir so gefällt.«
    »Mir gefällt es auch, Ed.«
    »Gut«, hatte Ed gesagt. »Jetzt wasch dir die Hände, du hast die Pflanzen angefasst.«
    Es gefiel ihr so. Wenn Kyra nach Hause kam, wollte sie auch alles sorgfältig aufreihen. Sie versuchte es. Aber es funktionierte nie, weil ihr Haus eine Müllhalde war. »Kyra, hör auf, da rumzuwühlen, hör gefälligst mit der Zappelei auf, ja?« Aber in ihrem eigenen Zimmer konnte Kyra die Sachen so ordnen, wie sie es mochte. Wie Ed es mochte. Sie sortierte ihre Schubladen – weiße Socken, blaue Socken, weiße Unterhosen, pinkfarbene Unterhosen – und ihre Puppen und Stofftiere in einer Reihe auf dem Regal. Sie hatte es gelernt.
    »Gott, was ist bloß los mir dir, Kyra, du bist ein komisches Kind. Ich weiß nicht, woher du das hast. Schau dir das an, das ist doch abartig.«
    »Es gefällt mir so.«
    »Ja, ja, schon gut, warten wir, bis du vierzehn bist, dann ist es der reinste Saustall, wie bei allen Teenagern.«
    Kyra wusste, dass es nicht so sein würde, war aber klug genug, nicht zu widersprechen.
    Sie beugte sich vor. Die Hintertür von Eds Haus hatte sich geöffnet, und zwei von den seltsamen Männern waren herausgekommen und mit Säcken zur Mülltonne gegangen, aber sie warfen keinen Müll hinein, sie holten ihn heraus, leerten den Mülleimer in die Säcke aus. Warum taten sie denn so was?
    Unten klingelte das Telefon. Kyra machte es sich auf der Fensterbank bequemer. Ihre Mutter würde stundenlang telefonieren.
    Als sie gefragt hatte, warum die Männer und die Transporter jeden Tag bei Eds Haus waren, hatte Natalie sie angeschrien. Kyra war an die Brüllerei ihrer Mutter gewöhnt, aber das war anders gewesen, ihr Gesicht so verzerrt und beängstigend, dass Kyra nicht gewagt hatte, weitere Fragen zu stellen.
    »Hör auf damit. Ed ist weg. Okay? Ende. Ich will nichts mehr von Ed hören, ich will nicht, dass du irgendjemanden fragst. Hast du verstanden, Kyra?«
    Kyra hatte genickt, zu verängstigt, irgendetwas zu sagen oder zu fragen. Ihr Kopf war so voll mit Fragen, dass sie überlegte, ob er wohl größer geworden war, um sie alle unterzubringen, ob die Leute es bemerken würden. Fragen summten den ganzen Tag, die ganze Nacht, wie in einem Bienenkorb, der nie still war, und die

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