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Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Titel: Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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drückte von innen wie Erde auf seinen Schädel. Er wollte jemandem erzählen, was passiert war, und dann erklären, wie es sich anfühlte. Lizzie war gestorben. Lizzie war tot. Er wusste das. Er hatte gesehen, wie sie starb. Er hatte ihre Leiche gesehen, und er hatte gesehen, wie ihr Sarg durch den Samtvorhang in den Verbrennungsofen dahinter glitt. Lizzie war tot. Aber er hatte sie gesehen, hatte sie oft gesehen, auf der Straße, in dem alten Lagerhaus, wie sie auf ihn zukam, am Fußende des Bettes stand, wenn er aufwachte. Er fürchtete sich nicht vor dem, was er sah, doch er war verwirrt. Das war keine Geister-Lizzie, keine Lizzie in seinem Kopf, das war Lizzie in Fleisch und Blut, die echte Lizzie.
    Lizzie war tot.
    Der einzige Mensch, der ihm helfen konnte, war Jane Fitzroy. Mit ihr konnte er reden. Zwischen ihnen gab es eine Verbindung, obwohl er nicht genau sagen konnte, warum oder wie das passiert war.
    Er ging an den Küchenschrank, nahm die Whiskyflasche heraus, goss sich ein halbes Glas voll ein und fügte ein wenig Wasser aus dem Hahn hinzu. Wenn er das getrunken hatte, würde er den Mut haben, sie aufzusuchen. Es schmeckte nach Feuer und Salz und Rauch. Zuerst nippte er daran, dann schüttete er den Rest hinunter, und das Feuer schlängelte sich durch seine Brust und fiel in seinen Bauch, bevor die Flammen durch seine Adern in den Kopf hinauf krochen. Er atmete tief durch.
    Falls er Lizzie auf der Straße sah, würde er sie mitnehmen, damit Jane ihm glaubte. Wenn Jane sie beide zusammen kommen sah, würde sie ihm glauben müssen. Kurz fiel ihm ein, dass man ihn ermahnt hatte, nicht mit Lizzie zu sprechen, sich ihr nicht zu nähern, ihre Existenz nicht wahrzunehmen, und dass er dem allen zugestimmt und mit seinem Namen unterschrieben hatte. Aber er würde ihr kein Leid antun. Er fragte sich, wie sie darauf hatten kommen können, wo Lizzie doch seine Frau war und er sie liebte. Er war ihr gefolgt, hatte sie angesprochen, ihren Namen gerufen, versucht, sie zu einer Antwort zu bewegen, wollte, dass sie zu ihm kam, mit ihm nach Hause ging, damit alles wieder normal war, aber er würde ihr niemals wehtun. Als sie gestolpert und gestürzt war und geschrien hatte, wollte er ihr unbedingt helfen, sie mitnehmen und sie hier pflegen. Er hatte versucht, ihnen das zu sagen. Sie hatten anscheinend zugehört, aber dann hatten sie ihn abgeführt wie einen Hund, der knurrt und einem in die Hand beißt, wenn man ihn aus Freundlichkeit streichelt.
    Er schenkte sich noch ein Glas Whisky ein und hielt sich diesmal nicht mit Wasser auf. Das Wasser verdünnte das Feuer, das in ihm lodern und sich in sein Gehirn brennen musste.
    Als er ausgetrunken hatte, ging er.

Fünfundvierzig
    N athan Coates schob die Tür zur Einsatzzentrale auf und blickte sich um. Ein halbes Dutzend Kollegen saßen an ihren Schreibtischen.
    »Weiß jemand, ob der neue DC schon da ist?«
    »Carmody? Ja, ist aufs Klo gegangen. Sollst du dich um ihn kümmern?«
    »Irgendwelches rassistische Zeug drüben in Battle Corner. Der DCI will, dass ich ihn mitnehme, sobald ich ihn hier vorgestellt habe.«
    Jenny Osbrook verzog das Gesicht. »Das hat er wohl bereits selbst erledigt.«
    »Was ist los?«
    »Wirst du schon merken.« Mit einem Kopfnicken deutete sie zur Tür. »Macht’s gut, Jungs, ich muss ins Gericht.«
    Nathan musterte den Mann, der gerade hereingekommen war und die Tür in dem Moment losließ, als Jenny danach griff. Wenn er nicht in der Einsatzzentrale gewesen wäre, hätte er in den Arrestzellen auch nicht fehl am Platz gewirkt. Er war kein besonders großer Mann, nicht mehr als eins dreiundsechzig oder eins fünfundsechzig, war aber muskelbepackt und stämmig und hatte einen völlig glatten, schimmernden Kahlkopf. Auf dem Hinterkopf sprossen merkwürdige Haarbüschel, die über seinen Nacken ragten. Er trug ein marineblaues T-Shirt und keine Krawatte.
    Nathan ging zu ihm. »Hallo, ich bin Nathan Coates.«
    Carmody musterte ihn. »Hab von Ihnen gehört«, sagte er. »Der Wunderknabe.«
    Nathan merkte, wie er rot wurde, und war wütend darüber. »So jung bin ich auch nicht.«
    »Sieht für mich aber so aus, Sonnenschein.«
    Er hätte sich zur Wehr setzen sollen, ihn verbessern, von ihm verlangen müssen, ihn mit »Sarge« anzusprechen. Es ging nicht. Seit sehr langer Zeit hatte er sich nicht mehr so klein und dumm gefühlt.

    Carmody schwang sich in den Honda, zog ein flachgedrücktes Kaugummipäckchen aus der Hosentasche und wickelte den

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