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Der Seele weißes Blut

Der Seele weißes Blut

Titel: Der Seele weißes Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Klewe
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doch. Du meinst es nicht böse, aber das macht es nicht weniger schmerzhaft. Spring über deinen Schatten, und mach den ersten Schritt. Schon allein wegen der Kinder. Sie vermissen ihre Mutter.«
    Philipp ballte die Faust und hämmerte gegen den Türrahmen. Seine Mutter war nicht besser als Ellen. Kein Wunder, dass sie Vater so oft zur Weißglut gebracht hatte. Warum bloß waren alle Frauen so nervig und anstrengend? Warum begriffen sie nicht, worauf es ankam? Er riss sich zusammen. »Mutter, ich habe jetzt wirklich keine Zeit für diese Diskussion. Ich erwarte einen wichtigen Anruf.«
    Er hörte einen Laut, eine Art Stöhnen, dann wieder ihre Stimme. »Wann holst du denn die Kinder ab, Philipp? Ich habe ziemlich viel um die Ohren. Dein Vater hat verschiedene Arzttermine, außerdem kommt gleich jemand wegen des Wagens.«
    Philipp spürte, wie ihm die Knie weich wurden. »Wegen des Wagens?«
    »Der alte Benz, du weißt schon. Ich habe ihn in die Zeitung gesetzt.«
    »Was?« Er hörte die Panik in seiner Stimme, und er war sicher, dass seine Mutter sie auch bemerkt hatte.
    »Du bist ja genauso schlimm wie dein Vater, Philipp. Niemand fährt diesen Wagen. Er kostet nur Geld. Ich habe beschlossen, dass er wegkommt.«
    Philipp hätte sie am liebsten durchs Telefon geohrfeigt. Was fiel ihr ein, sich an Vaters Wagen zu vergreifen? Was war nur los? Waren denn alle Frauen irre geworden? Seit mehr als zwei Jahren stand der Benz ungenutzt in der Garage, und ausgerechnet jetzt dachte seine Mutter daran, ihn zu verkaufen.
    »Weiß Vater davon?«, fragte er betont gelassen.
    Am anderen Ende der Leitung war es still.
    »Also nicht«, schloss er triumphierend. »Musst du ihm das antun?«
    »Er wird ihn nie wieder fahren.«
    »Darum geht es nicht.«
    Er hörte ein fernes, vertrautes Klingeln, unmittelbar darauf Maja, die laut »Mama, Mama« rief, und dann seine Mutter. »Nein, Maja, Schätzchen, das ist nicht die Mama. Das ist ein Mann, der sich Opas Auto angucken möchte.«
    »Schick den Mann weg!«, brüllte er ins Telefon, doch niemand schien ihn zu hören. »Schick den Mann weg! Das kannst du Vater nicht antun!«
    »Philipp, ich muss jetzt auflegen. Da ist jemand an der Tür.« Es klickte.
    Philipp warf das Telefon in die Ecke. Verdammt. Er riss seine Jacke vom Haken und stürmte zum Auto. Noch war nichts verloren. Er musste nur schnell genug sein.
    »Guten Morgen, Frau Louis. Ich hoffe, Sie konnten noch ein wenig schlafen, letzte Nacht.«
    »Nicht wirklich. Bitte entschuldigen Sie noch einmal, dass ich Sie geweckt habe.«
    »Ich hatte es Ihnen angeboten. Also brauchen Sie sich nicht zu entschuldigen.«
    »Wir können dafür den Termin am Donnerstag ausfallen lassen.«
    »Ganz wie Sie möchten. Wollen Sie über den Traum sprechen?«
    »Hm.«
    »Es liegt bei Ihnen. Wir sprechen, worüber Sie sprechen möchten.«
    Schweigen. »Also gut. Das Ende des Traums war wie immer. Ich bin in diese Scheune gegangen, obwohl ich es nicht wollte. Es war, als würde sie mich einsaugen. Ich konnte mich einfach nicht dagegen wehren. Und dann ist das Tor zugeknallt.«
    »Was ist danach passiert?«
    »Nichts.«
    »Sie standen einfach so in der Scheune?«
    »Ja.«
    »Haben Sie etwas gesehen oder gehört?«
    »Es war stockdunkel. Aber von irgendwo kam ein Knacken.«
    »Wussten Sie, was das Knacken bedeutet?«
    Schweigen.
    »War außer Ihnen jemand in der Scheune?«
    »Sie waren da. Sie waren da und haben auf mich gewartet. Sie wussten, dass ich Ihnen nicht entkommen kann.«
    »Was wollten sie von Ihnen?«
    »Ich weiß es nicht, ich habe geschrien und bin aufgewacht.« Pause. »Der Anfang war anders. Sonst bin ich immer allein auf diesen Hof gekommen. Diesmal war jemand bei mir.«
    »Wer war bei Ihnen?«
    »Salomon. Das ist der neue Kollege.«
    »War es ein gutes Gefühl, dass er dabei war?«
    »Ich weiß nicht. Anfangs schon. Aber dann war er plötzlich weg. Hat mich einfach im Stich gelassen.«
    »Wussten Sie, wohin er gegangen ist?«
    »Nein.« Schweigen. »Aber ich glaube, er war auch in der Scheune.«
    »Er gehörte zu den anderen? Hat er Sie in die Falle gelockt?«
    »Ja.« Schweigen. »Ich traue ihm nicht. Ich weiß überhaupt nicht, wem ich noch trauen soll.«
    »Wie kommt das?«
    Schweigen.
    »Möchten Sie mir erzählen, warum Sie nicht wissen, wem Sie trauen sollen?«
    »Seit Monaten habe ich nicht mehr von dieser verdammten Scheune geträumt. Ich dachte, ich wäre sie endlich los, wäre darüber hinweg. Ich fühle mich so beschissen. So

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