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Der Seele weißes Blut

Der Seele weißes Blut

Titel: Der Seele weißes Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Klewe
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Mörder ist. Vielleicht hätten wir ihn mit ein bisschen Fingerspitzengefühl dazu gekriegt, uns zu sagen, was wirklich am Donnerstagabend passiert ist. Möglicherweise hat Dankert etwas gesehen oder gehört, das uns weiterhelfen könnte. Zumindest weiß er, wann genau seine Frau aus dem Haus gegangen ist.«
    »Falls sie aus dem Haus gegangen ist.«
    Sie stiegen ein.
    »Du bist gut in Form.« Chris sah sie an, der Hauch eines Grinsens spielte um seine Lippen.
    »Gut in Form sein ist lebenswichtig«, erwiderte sie und startete den Motor.

22

    Sonntag, 13. September
    Etwas stimmte nicht. Lydia spürte es. Es war die Landschaft, sie war vollkommen surreal, karg und düster. Von irgendwoher schien ein fahles Licht auf sie herab, Lydia konnte nicht sagen, ob es der Mond oder die Sonne war. Sie saßen auf Salomons Motorrad und verfolgten jemanden, der in einer dunklen Limousine saß. Das Auto raste durch die menschenleere Einöde, das Licht der Scheinwerfer warf ein grelles Zickzackmuster auf die nasse Straße. Salomon versuchte, den Wagen einzuholen. Lydia krallte sich so fest an seine Lederjacke, dass ihre Finger schmerzten. Verdammt, wieso war sie auf dieses Ding gestiegen? Sie hasste Motorräder, und sie hasste es, so ausgeliefert zu sein. Salomon legte sich in eine Kurve, ihre Knie streiften beinahe den Asphalt, und ihr Herzschlag setzte aus. »Scheiße«, murmelte sie und klammerte sich noch fester an Salomon, presste ihren Körper an seinen. Am liebsten hätte sie ihr Gesicht in seiner Jacke vergraben, doch sie konnte ihre Augen nicht von dem Wagen abwenden. Wer saß darin? Warum verfolgten sie ihn? Wo zum Teufel waren die anderen Kollegen? Der fremde Wagen verschwand hinter einer Kuppe. Salomon holte das Letzte aus der Maschine, Lydia brach der Schweiß aus.
    Die Landschaft veränderte sich. Plötzlich standen überall Bäume und Sträucher, die ihre kahlen Äste in den Himmel reckten. Sie gelangten auf einen Hof mit einem Wohnhaus, Ställen und einer Scheune. Salomon hielt an und stieg ab. Unsicher kletterte Lydia ebenfalls von dem Motorrad. Sie konnte kaum stehen, ihre Beine knickten ein. Es war totenstill auf dem Hof.
    Das Scheunentor stand offen. Sie begann, am ganzen Körper zu zittern. Angstvoll blickte sie sich um. Von der Limousine keine Spur. Auch Salomon war verschwunden. Ebenso wie sein Motorrad. Verdammt! Was war hier los? Sie wollte ihn rufen, doch sie bekam den Mund nicht auf. Langsam trat sie auf das Tor zu. Nicht die Scheune, dachte sie verzweifelt. Nicht die Scheune! Nein! Doch ihre Beine gehorchten ihr nicht. Immer weiter bewegten sie sich auf das weit geöffnete Tor zu. Sie wusste nicht, was sie erwartete, doch was auch immer es war, es wollte ihr Verderben. Sie durfte nicht dort hineingehen. »Hilfe«, flüsterte sie. »Hilfe!« Doch ihre Beine bewegten sich unaufhörlich fort. Schließlich trat sie über die Schwelle. Mit einem Krachen schlug das Tor hinter ihr zu. Vollkommene Dunkelheit umfing sie. Sie klapperte mit den Zähnen, ihr Herz hämmerte. Etwas knackte neben ihr, da endlich löste sich ihre Stimme, und sie schrie.
    Lydia hörte auch nicht auf zu schreien, als sie die vertrauten Umrisse ihres Schlafzimmers erkannte. Sie saß kerzengerade im Bett, den Mund weit aufgerissen, während ihre Stimme schrill in ihren Ohren dröhnte. Erst nach einer Weile, die ihr vorkam wie eine Ewigkeit, verstummte sie abrupt. Schweigend horchte sie in die Dunkelheit. Bestimmt hatte sie alle Nachbarn geweckt. Doch nichts rührte sich. Sie sprang aus dem Bett, nahm die Walther vom Nachttisch, schlich ins Bad. Nichts. Wohnzimmer. Nichts. Küche. Nichts. Sie ging alle Zimmer ab, kontrollierte die Schränke und prüfte das Schloss an der Wohnungstür, dann trottete sie zurück ins Schlafzimmer, ließ sich auf den Boden sinken, zog die Beine an und legte das Gesicht auf die Knie. Minutenlang rührte sie sich nicht, kämpfte einen stummen, reglosen Kampf gegen die Bilder ihres Traums. Schließlich erhob sie sich und lief zum Telefon in der Diele. Sie brauchte eine Weile, bis sie den richtigen Zettel an der Pinnwand gefunden hatte. Es klingelte fast zehnmal, bis endlich jemand abhob.
    »Förster«, sagte eine verschlafene Stimme.
    »Sie haben gesagt, ich kann Sie jederzeit anrufen.«
    »Frau Louis, sind Sie das?«
    »Ja.«
    »Was ist passiert?« Die Stimme klang jetzt freundlich und ein wenig wacher.
    »Ich hatte den Traum.«
    »Den Albtraum mit der Scheune?«
    »Ja. Aber er war anders als sonst.« Sie schwieg

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