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Der Seele weißes Blut

Der Seele weißes Blut

Titel: Der Seele weißes Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Klewe
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gewesen. So wie sie selbst. »Was ist mit Ihnen?«, fragte sie. »Könnte es sein, dass jemand Einblick in Ihre Patientenakten hatte? Wurde in letzter Zeit bei Ihnen eingebrochen?«
    »Nein, das ist unmöglich. An meine Patientenakten kommt kein Fremder heran. Und eingebrochen wurde auch nicht.« Sie dachte nach. »Ich vermute etwas anderes. Es gibt einige Foren im Internet, in denen sich Gewaltopfer miteinander austauschen.«
    »Die sind doch sicherlich anonym?«
    »Ja, natürlich. Aber es gibt Wege, an die persönlichen Daten heranzukommen. Vielleicht hat der Täter sich mit einer erfundenen Leidensgeschichte als Frau eingeloggt und persönliche Kontakte geknüpft. So konnte er seine Opfer ganz einfach zu einem Treffen überreden und in die Falle locken. Welche Frau hat schon Bedenken, sich mit einer Leidensgenossin zu verabreden, die Ähnliches durchgemacht hat wie sie?«
    »Das ist wirklich pervers.« Lydia empfand das angeregte Gemurmel und das heitere Lachen an den Nachbar-tischen plötzlich als bedrückend. Das Café war von einer Minute auf die andere stickig und eng geworden. Hastig kramte sie in ihrer Tasche. »Ich muss jetzt los, zurück ins Präsidium. Ich werde auf jeden Fall einen Kollegen dransetzen, diese Foren nach verdächtigen Mitgliedern zu durchforsten. Vielleicht werden wir ja fündig. Und wir werden noch einmal mit der Lebensgefährtin von Valentina Frederiksen sprechen. Womöglich weiß sie, ob ihre Freundin sich im Internet mit anderen Frauen ausgetauscht hat.« Sie legte einen Geldschein auf den Tisch.
    Die Ärztin gab ihn ihr zurück. »Ich lade Sie ein, Frau Louis.«
    Lydia steckte das Geld wieder in die Tasche. »Danke. Ich glaube, Sie haben uns sehr geholfen.«
    Chris Salomon musterte die Kneipe abschätzend von außen. Verschmutzte Fenster, an denen weiße Zettel verkündeten, dass es sich um einen »Raucherklub« handelte, und die lediglich einen schemenhaften Einblick in das schäbige Interieur ermöglichten, eine Holztür, von der die Farbe abblätterte. Lediglich die Leuchtreklame, die in die Dunkelheit hinausschrie, dass man hier alle Spiele auf einem riesigen Bildschirm sehen könne, funkelte wie ein Fremdkörper an der Fassade. Chris zuckte mit den Schultern und trat ein. Die Luft war zum Schneiden, schwere Qualmwolken hüllten ihn augenblicklich ein. Kein Ort, an dem er sich freiwillig aufhalten würde, soviel stand fest. Seine Partnerin war da offenbar weniger zimperlich. Die paar Gäste warfen ihm einen kurzen, desinteressierten Blick zu und wandten sich dann wieder ab, um weiter schweigend in ihr Bierglas zu stieren. Der riesige Bildschirm war dunkel. Chris trat an die Theke und bestellte ein Alt.
    Der Wirt, ein hagerer Kerl mit kleinen, misstrauischen Augen, stellte ihm das Getränk wortlos vor die Nase.
    »Ist heute kein Spiel?«, fragte Chris.
    »Das Ding ist kaputt«, erklärte der Wirt. »So viel Kohle und hat gerade mal zwei Jahre gehalten.«
    »Seit wann ist der Fernseher denn kaputt?«
    Der Mann kniff misstrauisch die Augen zusammen. »Was interessiert Sie das?«
    »Ich bin nur neugierig.«
    Er lachte auf. »Haha. Und ich bin der Weihnachtsmann. Bullen erkenne ich auf zehn Meter gegen den Wind.«
    »Ach ja?«
    »Sind Sie etwa keiner?«
    »Gut.« Chris zog seinen Dienstausweis hervor. »Dann machen wir es eben offiziell. Ich möchte mit Ihnen über den vergangenen Donnerstag sprechen, den zehnten September.«
    Der Wirt stöhnte. »Ihre Kollegen haben mich doch schon befragt. Kann sein, dass der schöne Jo hier war, kann aber auch nicht sein. Ich weiß es nicht mehr.«
    »Aber Sie wissen, welches Spiel lief.«
    »Was hat das damit zu tun?«
    »Manchmal hilft es der Erinnerung auf die Sprünge.«
    »Ach, wirklich?«
    »An die Frau erinnern Sie sich aber noch?«
    »Welche Frau? Da war keine Frau.«
    »Blond, schlank, sehr attraktiv. Kurze Haare. Hatte vermutlich einen schwarzen Strickpulli an.«
    Die kleinen Augen des Wirts zuckten. »Ich weiß echt nicht«, sagte er, aber es klang nicht mehr so überzeugt wie zuvor.
    In diesem Augenblick wurde die Eingangstür aufgestoßen und eine ältere Frau mit fettigen grauen Haaren schlurfte herein. Sie grüßte den Wirt mit tiefer, rauchiger Stimme und machte es sich auf einem Hocker am anderen Ende der Theke bequem. Sie hob die Hand, die in orangefarbenen fingerlosen Handschuhen steckte, und streckte zwei schmutzige Finger in die Luft.
    »Bier und Korn?«, fragte der Wirt.
    »Immer her damit«, dröhnte die Alte.
    Chris stöhnte

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