Der Seele weißes Blut
nicht.«
»Und Sie wissen tatsächlich nichts über diese geheimnisvolle Frau?«
Christian Feller zögerte. Dann erhob er sich und verließ die Küche. Wenig später kam er mit einem kleinen Zettel und einem Stift zurück. Er schrieb etwas auf das Papier und reichte es Halverstett. »Ich könnte mir vorstellen, dass Sie dort mehr erfahren.«
Feller hatte sich nicht wieder gesetzt, das Gespräch war für ihn offenbar beendet. »Sie haben mir noch nicht gesagt, warum sich die Polizei nach über dreißig Jahren wieder für Rainer interessiert«, stellte er fest.
Halverstett erhob sich ebenfalls. »Vor knapp vier Wochen wurden Gebeine im Aaper Wald gefunden. Nach Alter, Geschlecht und Liegezeit zu urteilen könnte es sich um die sterblichen Überreste von Rainer Kästner handeln.«
»Oh, mein Gott. Sie meinen, er hat all die Jahre dort im Wald gelegen?«
Halverstett ging auf die Tür zu. »Es wäre möglich.«
Er verabschiedete sich von dem Arzt und kehrte zu seinem Wagen zurück. Erst als er hinter dem Steuer saß, blickte er auf den Zettel. Aber was dort geschrieben stand, war lediglich ein weiteres Rätsel.
Es war beinahe gemütlich. Köster hatte Teilchen mitgebracht, Ruth Wiechert und das Greenhorn verteilten Kaffeetassen auf den Tischen. Von draußen funkelte eine goldene Herbstsonne durch die Fenster und tauchte den Besprechungsraum in warmes Licht. Das alles versöhnte die Mitglieder der »Moko Steine« ein wenig damit, dass heute Sonntag war und die meisten Menschen frei hatten, das herrliche Wetter für einen Spaziergang am Rhein nutzen konnten oder um in ihrem Garten die Rosen zurückzuschneiden.
Lydia wollte gerade anfangen, als Salomon sich räusperte. »Ich hätte etwas Wichtiges mitzuteilen. Wenn es dir recht ist, würde ich gern anfangen.«
Lydia blinzelte irritiert. Was kam jetzt? Das Geständnis, warum er so lange kein Wort über den alten Kölner Fall verloren hatte? Oder die Erklärung seines Rückzugs aus der Mordkommission? Ihr wurde bewusst, wie wenig sie ihn kannte. Sie hielt alles für möglich. Um seine Lippen spielte ein zufriedenes Lächeln, sie war sich nicht sicher, ob sie das, was er zu sagen hatte, ebenso erfreuen würde wie ihn. Aber es gab nur einen Weg, das herauszufinden.
»Bitte«, sagte sie, »schieß los.«
»Ich habe gestern ein wenig das Düsseldorfer Nachtleben getestet«, begann er.
»Hört! Hört!«, rief Meier. »Kulturschock!«
Hackmann pfiff durch die Lücke zwischen seinen Schneidezähnen.
Lydia verkniff es sich, die beiden zur Ordnung zu rufen. Sie standen alle unter wahnsinnigem Druck, mit dem jeder auf seine Weise fertigwerden musste. Und wenn es mit dummen Witzen war.
»Nun ja«, fuhr Salomon grinsend fort. »Sehr beeindruckend war es nicht. Ich war in einer ziemlich heruntergekommenen Kneipe in Flingern.«
»Du hast das Alibi von unserem schönen Jo noch mal überprüft?«, fragte Schmiedel.
Lydias Herz setzte aus. Sie starrte Salomon an.
»Genau das. Und ich habe eine Zeugin gefunden, die sich ganz sicher ist, dass er an dem Abend da war.«
»Die geheimnisvolle Super-Schnecke?«, wollte Meier wissen.
»Nein, eine ältere Frau, die regelmäßig in der Kneipe verkehrt.«
»Eine alte Säuferin? Das ist nicht gerade die ideale Zeugin«, gab Schmiedel zu bedenken.
»Ja, ich weiß, aber sie machte einen vernünftigen Eindruck auf mich und schien zu wissen, wovon sie sprach. Und mit dem Tag war sie sich auch sicher, sie konnte sogar sagen, dass an dem Abend Deutschland gegen Aserbaidschan spielte. Und das Beste kommt noch: Nachdem sie mir alles haarklein beschrieben hatte, war der Wirt plötzlich auch von seinem Gedächtnisschwund geheilt.«
»Das heißt, wir haben zwei Zeugen, die Brandau an dem Abend gesehen haben?«, fragte Wirtz.
»Genau.«
Hackmann kratzte sich am Hinterkopf. »Und was ist mit der mysteriösen Schnalle?«
»Die beiden sagen, dass sie die Frau nie zuvor gesehen haben. Wir könnten sie zwar anhand der Beschreibung suchen, aber ich halte das für überflüssig, da Brandau ja wohl jetzt entlastet ist. Soll sich das Rauschgiftdezernat weiter mit ihm herumschlagen.«
»So ein Mist«, fluchte Meier. »Unser einziger Verdächtiger, da geht er dahin.«
Lydia versuchte, ruhig zu atmen. Sie vermied es, Salomon anzusehen. In ihr brodelte es. Einerseits war sie unendlich erleichtert. Dieser arrogante Idiot hatte ihr soeben den Arsch gerettet. Andererseits traute sie ihm nicht. Sie fragte sich, warum er das getan hatte. Die beiden Zeugen
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