Der Seele weißes Blut
gefunden, die ein bläuliches Pulver enthielt. Flunitrazepam ist normalerweise in Tablettenform erhältlich, nicht als Kapsel. Es wäre also möglich, dass der Täter die Tabletten zerstoßen und ihr als Kapseln verabreicht hat, damit sie nichts ahnt. Vielleicht hat er sie sogar gegen Kapseln vertauscht, die sie normalerweise einnimmt, Vitaminpräparate möglicherweise. Auch danach werde ich Frau Maltkowski fragen. Auf jeden Fall muss sie mehrere davon geschluckt haben, denn die Kapsel, die im Rachen feststeckte, kann nicht den Magen verfärbt haben. Anmerkungen?«
Niemand sagte etwas.
»Dann bliebe noch Köln.« Sie sah Mörike an.
»Leider kann ich noch nicht viel sagen.« Er verzog das Gesicht. »Ich habe offenbar eine Pechsträhne.« Er grinste verlegen. »Der Zeuge ist verreist, aber er kommt angeblich nächste Woche zurück. Und die Frau ist verzogen. Sie wohnt jetzt in Bayern. Ich habe schon mit den Kollegen vor Ort Kontakt aufgenommen. Aber am Wochenende läuft da nichts.«
Lydia seufzte. »Wäre ja auch zu schön gewesen, wenn mal was auf Anhieb klappen würde. Bleib bitte dran. Hast du die Akte?« Salomon hatte seinem Kollegen in Köln die Akte zurückgegeben, damit sie auf dem offiziellen Dienstweg nach Düsseldorf gebracht werden konnte.
Mörike nickte. »Ist gestern gekommen. Aber die ist äußerst mager. Es fehlen sogar Seiten. Morgen spreche ich noch mal mit dem Kollegen, der die Ermittlungen geleitet hat.«
»In Ordnung. Und mach den Bayern Dampf. Es geht schließlich um dreifachen Mord.«
Wenig später war Lydia zurück in ihrem Büro. Sie war allein, Salomon nahm in einem anderen Raum die offiziellen Aussagen der beiden Entlastungszeugen auf. Er hatte sie diskret darauf hingewiesen, dass er den Wirt und seinen Stammgast für elf Uhr aufs Präsidium bestellt hatte, und angedeutet, dass er Bescheid sagen würde, wenn die Luft wieder rein war. Lydia hatte sich daraufhin schleunigst hinter ihren Schreibtisch verzogen. Nicht auszudenken, wenn im letzten Augenblick doch noch die Bombe platzte, weil diese versoffene Alte sie auf dem Flur erkannte.
Sie saß am Schreibtisch, den Blick auf den Bildschirm geheftet, doch ihre Gedanken waren nicht auf den Bericht konzentriert, den sie schreiben wollte. Etwas nagte an ihr. Das Gefühl, etwas Wichtiges übersehen zu haben. Eine Ahnung. Sie schloss die Augen und versuchte, der Idee auf die Spur zu kommen, die in ihrem Unterbewusstsein herumgeisterte, aber sie bekam sie nicht zu fassen. Schließlich gab sie es auf und widmete sich wieder dem Bericht. Wenn der Gedanke wichtig war, würde er früher oder später den Weg in ihr Bewusstsein finden.
Halverstett sah zum wiederholten Mal auf die Uhr, obwohl er es sich verboten hatte. Er war mit Maren zum Mittagessen verabredet. Seit jenem Abend, an dem er sich mit so fatalen Folgen mit seiner Frau gestritten hatte, hatten sie sich nicht gesprochen. Auch als sie die Verabredung für heute getroffen hatten, war Maren am Telefon kurz angebunden gewesen. Er wusste, dass sie viel um die Ohren hatte, aber das beruhigte ihn nicht. Sie war inzwischen fast zwanzig Minuten zu spät, und es würde ihn nicht wundern, wenn sie gleich anrief und unter irgendeinem Vorwand absagte. Er hatte sie in eine äußerst unangenehme Lage gebracht, und er schämte sich dafür. Vermutlich geschah es ihm ganz recht, wenn nicht nur seine Ehe in die Brüche ging, sondern auch sie sich von ihm abwandte. Was sie wohl von ihm denken mochte? Dass er sie als Grund vorgeschoben hatte, um die Trennung von seiner Frau einfacher über die Bühne zu bringen? Dass er sie womöglich als schändliche Verführerin dargestellt hatte, um besser dazustehen? Der Gastraum des spanischen Restaurants in der Altstadt, das er für ihr Treffen ausgesucht hatte, kam ihm mit einem Mal entsetzlich stickig vor. Hastig löste er den Knoten seiner Krawatte.
Endlich ging die Tür auf, und Maren trat ein. Sie entdeckte ihn und trat an seinen Tisch. »Entschuldige bitte die Verspätung«, sagte sie atemlos. »Ich war so erledigt, dass ich auf dem Sofa eingeschlafen bin. Ich habe eine grauenvolle Woche hinter mir.«
Sie sah blass aus. Die kleinen Fältchen um die grünen Augen, die sonst ihr Lächeln ein wenig schelmisch wirken ließen, verliehen ihrem Gesicht heute einen müden, kummervollen Ausdruck. Trotzdem sah sie in dem engen grauen Strickkleid wunderschön aus.
»Woran ich nicht ganz unschuldig bin«, sagte Halverstett zerknirscht.
Sie sah ihn an, sagte jedoch
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