Der Seelenbrecher
gibt es sicher genügend Zeug, aus dem er eine Waffe basteln kann.«
»Richtig. Da liegt sogar eine Betäubungspistole«, flüsterte Bachmann.
»Scheiße, und das sagst du uns erst jetzt?« Schadeck trat gegen den Zeitungsständer und verteilte mehrere Boulevardblätter über das Fischgrätparkett.
»Und nun?«
»Jetzt sollten wir das tun, weswegen wir überhaupt aufgebrochen sind – Sophia versorgen.« Caspar bat Schadeck, den noch intakten Infusionsbeutel endlich von seinen Hüften zu lösen, was dieser mit widerwilliger Miene tat.
»Hier, die brauchst du auch noch.« Tom zog eine eingeschweißte Zugangsnadel plus Spritze aus seiner Hosentasche und warf beides auf den Tisch.
Caspar griff sich die Utensilien und ging zum Kamin, wo Yasmin im Schneidersitz vor Sophia saß und die Hand der Ärztin streichelte.
Sein Blick fiel auf die Klebestreifen, mit denen die Lichterkette über dem Kaminsims befestigt war. Er löste zwei davon ab und bat Yasmin, den Rollstuhl etwas vom Feuer wegzudrehen. Dann streifte er Sophias Ärmel mit einiger Mühe über die Armbeuge. Die Ärztin schien von alledem nichts mitzubekommen.
»Wir sollten Sybille helfen«, sagte Yasmin halb fragend, halb fordernd, während er Sophias Armbeuge abklopfte. »Vielleicht können wir sie ja befreien?«
»Ich fürchte, da kommen wir zu spät«, antwortete Tom hinter ihnen. Seine Stimme klang nun mehrere Stufen freundlicher.
Caspar konnte ein unausgesprochenes »Yazzie« am Ende seiner Sätze hören, während er die Nadel auf die Spritze schob und sie ohne lange darüber nachzudenken in Sophias gut sichtbare Vene punktierte.
Ich hab das wirklich schon mal gemacht.
»Bevor das Licht ausgegangen ist, konnte ich noch einen kurzen Blick in die Speisekammer werfen«, erklärte Schadeck weiter. »Das sah nicht gut aus. Ich denke, er hat ihr das Genick gebrochen.«
»Sybille ist tot?« Yasmin stöhnte auf und trat einen Schritt zurück.
»Nein, das glaube ich nicht«, widersprach Caspar, ohne aufzusehen. Er hatte die Spritze abgezogen und den Infusionsschlauch angeschlossen. Sophia hatte während der gesamten Prozedur keinerlei Reaktionen gezeigt. »Warum sollte er die Köchin erst umbringen und dann verschleppen? Wieso lässt er Linus, Raßfeld und Sybille nicht einfach liegen?«
Caspar ließ sich von Yasmin ein Papiertaschentuch reichen, faltete es mehrfach und befestigte es mit den beiden Klebestreifen über dem Zugang.
»Scheiße, was weiß ich?« Die Aggressivität des Pflegers loderte wieder auf. »Vielleicht ist er ein verdammter Leichensammler?«
»Nein, ich denke eher, er ist ein Spieler. Deshalb hinterlässt er auch diese Rätselkarten. Deshalb das Diktiergerät.« Caspar sah auf. »Er zockt mit uns. Und Sophia ist der Einsatz.«
»Na, dann geben wir sie ihm doch.« Schadeck hob die Hand. »Hey, war nur ein Scherz.« Sein Lächeln war erstaunlich ehrlich, sogar mit einem Anflug von Melancholie. Zusätzlich überraschte er Caspar, indem er ihm anbot, den Infusionsbeutel zu halten, aus dem bereits die ersten Elektrolyttropfen wie Murmeln, eine nach der anderen, in Sophias Blutgefäße kullerten.
»Danke.« Caspar übergab Tom den Infusionsbeutel und stellte sich an das Kopfende der Tafel.
»Also schön, ich fasse mal zusammen: Wir kennen die Motive des Seelenbrechers nicht, wir wissen weder, wie er seine Opfer in diesen Komazustand bringt, noch, warum er es ausgerechnet auf Sophia abgesehen hat. Raßfeld, Linus, Patzwalk und sogar Mr. Ed werfen weitere Fragen auf: Wo bringt er sie hin? Vielleicht sind sie tot, vielleicht leben sie noch?«
Bachmann sog hörbar die Luft ein, doch Caspar ließ sich nicht unterbrechen.
»Auf all diese Fragen haben wir keine Antworten. Aber wir dürfen bei unserer Suche danach nicht noch einmal unser Leben riskieren. Wir sollten ab sofort immer zusammenbleiben und die Zeit gemeinsam nutzen, um Sophia zu helfen.«
Beim Reden hatte er plötzlich das Gefühl, von einem Pfeil in die Brust getroffen zu werden.
Dann wurde ihm mit schrecklicher Klarheit deutlich, dass dieser stechende Schmerz von einem einzigen Gedanken ausgelöst wurde: Was, wenn der Seelenbrecher es gar nicht auf Sophia, sondern auf ihn abgesehen hat? Was, wenn er verhindern will, dass Sophia ihm verraten kann, was sie über ihn und seine Tochter herausgefunden hat?
Er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, und sprach weiter.
»So wie wir alle muss Frau Dr. Dorn nur noch die nächsten Stunden überleben, bis die Rettung eintrifft. Gleichzeitig ist sie unser
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