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Der Seelenbrecher

Der Seelenbrecher

Titel: Der Seelenbrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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los? Wieso macht Bachmann nicht auf?, dachte Caspar, während sich ein eisenhaltiger Geschmack in seinem Mund ausbreitete. Er spürte nicht, dass er sich auf die Zunge gebissen hatte, ebenso wenig, wie er das Messing der Türklinke fühlte, an der er panisch rüttelte. »Was wollen Sie von uns?«, rief Caspar schließlich, viel leiser als beabsichtigt, und plötzlich überschlugen sich die Ereignisse.
Es begann mit dem Blitz, der ihm die Haare ansengte und seine Schläfe nur um Millimeter verfehlte. Caspar riss den Kopf zur Seite und wunderte sich, warum er nicht mit der Stirn gegen die Tür knallte, sondern das Gleichgewicht verlor. Dann, während er in das Licht hineinfiel, sah er noch einmal den blassgrünen Baumwollstoff, der sich bereits in dem Mündungsfeuer abgezeichnet hatte. Das Nachthemd. Bruck!
Schließlich zog ihn jemand gewaltsam nach hinten, und schwere Stiefel flogen an seinem Gesicht vorbei. Einer von ihnen trat ihm in die Magengrube, ein anderer auf den Oberarm.
Später, als die Blutergüsse aufblühten, sollte sich Schadeck dafür entschuldigen, dass er in Panik über ihn hinweg in die Bibliothek geflüchtet war, doch in diesem Augenblick fühlte Caspar keinen Schmerz, sondern nur grenzenlose Erleichterung darüber, dass Bachmann endlich die Tür geöffnet hatte. Es war ein erlösendes, euphorisches Gefühl, dem Tode in letzter Sekunde entkommen zu sein, das jedoch nur so lange andauerte, bis der Hausmeister die Tür hinter ihnen wieder verriegelt hatte und hemmungslos zu weinen begann.
     

Heute, 12.34 Uhr – Sehr viel später, viele Jahre nach der Angst
    N och war kein Schnee gefallen. Der Wetterbericht hatte ihn für heute Nachmittag angekündigt, doch bislang trieb der Wind nur eine zerrissene Plastiktüte und etwas Restlaub über den gefrorenen Boden.
Der Winter hat eine klärende Seele, dachte der Profes sor und stützte sich mit einer Hand an dem Rahmen der gläsernen Flügeltür ab, die zum Park führte. Oder zu dem, was die Zeit davon übriggelassen hatte. Der einst so gepflegte Rasen glich heute einem zertrampelten Bolzplatz.
Die Kälte reißt die Blätter vom Baum der Wahrheit und lässt uns die Dinge dahinter erkennen.
Er legte die Hand auf die Scheibe und betrachtete die wenigen kahlen Bäume im Garten. Mit Ausnahme einer unverwüstlichen Trauerweide waren sie entweder abgestorben oder vom Pilz befallen. Eine Birke hatte der Sturm in der Mitte umgeknickt, doch niemand hatte sich die Mühe gemacht, ihren Stamm mit einer Axt zu Brennholz zu verarbeiten. Weshalb auch. Der offene Kamin hier war seit Jahren nicht benutzt worden.
Nicht, seitdem …
    »Herr Professor?«
Er fuhr erschocken zusammen und drehte sich um. »Ja?«
Für einen Moment hatte er die beiden Studenten hinter sich völlig vergessen.
Patrick Hayden klappte seine Handakte zu und stand auf. Er zeigte erst auf die leeren Regale an der schmutzigen Wand, dann auf die mit schweren Leinendecken verhängten Stühle, die übereinandergestapelt vor dem Kamin standen. Schließlich pochte er mit den Knöcheln auf die Tischplatte der Holztafel.
»Das hier ist diese Bibliothek, oder?«
»Bitte?«
»Caspar, Schadeck, der Seelenbrecher – die waren hier in diesem Raum. Hier hat sich das alles abgespielt!« Es klang weder wie eine Frage noch wie eine Feststellung. Eher wie eine Anklage.
»Blitzmerker, was dachtest du denn?«, schnaubte Lydia, bevor der Professor antworten konnte.
»Die Geschichte spielt in einer leeren Villa auf dem Teufelsberg. Das war doch schon von den ersten Seiten an klar.«
»Ach ja?« Der Student fingerte ein unsorgfältig zusammengefaltetes Blatt aus seiner hinteren Hosentasche.
»Auf der Einladung für das Experiment stand davon aber nichts.« Er wedelte mit dem beidseitig bedruckten Papier. Die Vorderseite wurde fast vollständig von einer zweifarbigen Landkarte ausgefüllt.
»Von der Uni habe ich nur diese Wegbeschreibung zugeschickt bekommen. Darauf sind keine Straßennamen. Kein Teufelsberg. Und ich kann mich auch nicht daran erinnern, unten in der Auffahrt ein Schild gesehen zu haben.«
»Sie kommen nicht aus Berlin?«, fragte der Professor und griff nach seiner Lesebrille. Er stand jetzt wieder vor seinem Platz am Kopfende der Tafel.
»Nein«, antwortete Patrick wütend.
»Nun, dann konnten Sie es nicht wissen.« Der Professor sah auf. »Die Zufahrt ist ein Privatweg, und der Teufelsberg wird nicht in allen Stadtplänen mit Namen verzeichnet.«
»Na toll.«
Patrick klatschte in die Hände und griff nach

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