Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Seelenfänger

Titel: Der Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
Preacher.
    »Du weißt genau, wen ich meine«, fauchte Randle. »Dieser Nigger ist genausowenig ein Pfarrer wie ich.«
    »Sie irren sich, Mr. Randle. Reverend Washington ist von der Kirche der amerikanischen Christen ordiniert worden. Er ist ein offizieller Prediger dieser Gemeinde.«
    »Und nach welchen Maßstäben hat er sich für dieses Amt qualifiziert?«
    »Nach den Maßstäben der Heiligen Schrift. Unser Herr Jesus Christus verlangte von seinen Jüngern nur, daß sie an ihn glauben und seine Lehre verbreiten. Reverend Washington steht im Glauben hinter niemandem zurück, und er predigt wie kaum ein anderer Evangelist. Er hat unzählige Seelen zu Christus geführt und der Kirche in den letzten beiden Jahren mehr als sechs Millionen Dollar Kollektengelder gebracht.«
    »All das erklärt aber nicht, warum du den Vorstand nicht informiert hast«, sagte Randle.
    »Mr. Randle«, sagte Preacher, und seine Stimme war kalt und energisch. »Als geistlicher Oberhirte dieser Gemeinde bin ich dem Vorstand keine Rechenschaft über mein Tun schuldig. Ich bin an keinerlei Weisung gebunden und auch nicht verpflichtet, irgendwelche Empfehlungen zur Kenntnis zu nehmen, geschweige denn zu beachten. Wenn Sie sich gelegentlich die Mühe machen, den Gesellschaftervertrag der Kirche der amerikanischen Christen und die Satzung des Stiftungsrates zu lesen, werden Sie feststellen, daß ich ganz allein berechtigt bin, im Namen der Kirche zu handeln, und daß sowohl die einzelnen Vorstandsmitglieder als auch der Vorstand im ganzen lediglich in meinem Auftrag tätig sein können.«
    Der alte Mann beherrschte sich mühsam. »Du scheinst vergessen zu haben, werter Dr. Talbot, daß ich es dir überhaupt erst
    ermöglicht habe, diese Kirche zu gründen.«
    »Das habe ich keineswegs vergessen, Mr. Randle. Ich werde mich dessen stets in Dankbarkeit erinnern, was wir Ihnen schulden. Ich habe dem oft genug öffentlichen Ausdruck verliehen.«
    »Du scheinst aber auch zu vergessen«, fuhr Randle mit einem kurzen Seitenblick auf die stellvertretenden Pastoren fort, die mäuschenstill dasaßen, »daß ich den Pachtvertrag, den ich dir gegeben habe, jederzeit kündigen kann. Und zwar fristlos und ohne Angabe von Gründen!« Triumphierend sog Randle die Luft ein.
    Preacher zögerte keinen Moment. »Wenn Sie andeuten wollen, daß die Kirche der amerikanischen Christen Churchland verlassen soll, dann teilen Sie uns das bitte schriftlich mit, Mr. Randle. Wir werden nicht zögern, diesem Wunsch sofort zu entsprechen.«
    Randle schwieg. Er wußte, jetzt mußte er Farbe bekennen, und er wußte auch, daß Preacher die besseren Karten in der Hand hatte. Es gab keine Kirche, die genug Geld hatte, um Churchland zu übernehmen, und ohne eine Gemeinde wären die Gebäude bald nichts mehr wert. »Versteh mich nicht falsch. Ich wollte nur unsere wechselseitigen Rechte noch einmal festhalten. Das bedeutet nicht, daß ich deinen Pachtvertrag kündigen will.«
    »Ich freue mich, das zu hören.«
    »Ich habe aber auch nicht die Absicht, stillschweigend zuzusehen, wie du die Kirche den Niggern vermachst«, knurrte Randle sofort.
    Diesmal ließ Preacher sich Zeit mit der Antwort. »Mr. Rand-le«, sagte er schließlich geduldig. »Ich bin der Ansicht, Sie sollten sich an den Gedanken gewöhnen, daß wir nicht mehr im 19. Jahrhundert leben. Ich finde es außerordentlich störend, daß Sie jetzt schon zu wiederholten Malen ein Schimpfwort gebraucht haben, das nicht nur ich, sondern auch große Teile meiner Ge-meinde und vermutlich auch meine beiden Kollegen als inhuman und widerwärtig empfinden. Ich würde es außerordentlich begrüßen, wenn Sie sich endlich entschließen könnten, die schwarzen Mitglieder unserer Kirche mit mehr Respekt zu behandeln und dies auch in Ihrer Wortwahl zum Ausdruck brächten.«
    Randle warf Ryker und Sorensen einen Blick zu, aber die beiden Geistlichen schwiegen. Der alte Mann wandte sich wieder an Preacher. »Ich bin sicher, daß deine beiden Kollegen gar nicht damit einverstanden sind, daß du diesen Nig -, ich meine diesen Schwarzen zuerst der Öffentlichkeit vorgestellt hast. Damit hast du Dr. Sorensen und Dr. Ryker in eine sehr mißliche Lage gebracht.«
    Preacher sah die beiden Geistlichen an. »Ist das wahr?«
    Dr. Ryker und Dr. Sorensen verständigten sich mit einem Blick, wer zuerst sprechen sollte. »Wenn wir alle Gelegenheit gehabt hätten, die Sendung vorher zu diskutieren«, sagte Sorensen vorsichtig, »wäre das Ergebnis vielleicht

Weitere Kostenlose Bücher