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Der Seelenfänger

Titel: Der Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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halten zu ihm.«
    »Gibt es denn niemanden mehr, der loyal ist?«
    »Ich weiß nicht. Sie lassen niemanden zu mir herauf.«
    »Warum haust du nicht einfach ab?«
    »Ich hab es versucht. Aber sie haben unten am Fahrstuhl zwei Männer aufgestellt, die mich nicht rauslassen. Mein Onkel hat der Familie erzählt, ich wäre eine Hure, weil wir die Nacht zusammen verbracht haben.«
    Preacher dachte einen Augenblick nach. »Und was passiert als nächstes?« »Ich weiß nicht«, erwiderte sie. »Ich habe Angst. Für übermorgen hat er den Familienrat einberufen. Von überall her kommen die Vettern. Aus Los Angeles, aus Chicago, sogar aus New York.«
    »Was werden sie tun?«
    »Es kann sein, daß sie mich wegschicken werden«, sagte sie. »Und ich kann nichts dagegen tun. Ich darf an der Sitzung nicht teilnehmen.«
    »Das wäre ja gar nicht so schlecht«, sagte Preacher. »Im Grunde bedeutet die Verantwortung für das Haus Soong doch nur eine Last für dich.«
    »Ich glaube, du verstehst mich nicht richtig«, sagte Barbara leise. »Wenn die Vettern mich >wegschicken<, komme ich nie mehr zurück.«
    Preacher zuckte zusammen. »Du meinst -? Nein, das ist nicht dein Ernst!«
    »Anders geht es nicht«, sagte sie fatalistisch. »Nur wenn das Oberhaupt des Tongs tot ist, kann ein anderer nachrücken.«
    »Du mußt da weg«, sagte Preacher.
    »Das geht nicht, ich hab es dir doch erklärt.«
    »Ich hole dich raus.«
    »Das schaffst du nicht. Wie willst du hier raufkommen? Unten am Fahrstuhl stehen zwei Mann, und außer meinem Onkel hat niemand einen Schlüssel mehr. Nur wenn er den Fahrstuhl bedient, kann jemand mir das Essen bringen.«
    »Besitzt du noch deinen eigenen Schlüssel?«
    »Ja, aber das nützt dir gar nichts. Ich kann ihn dir ja nicht geben. Wenn sie dieses Privattelefon nicht übersehen hätten, hätte ich dir nicht mal das Telegramm schicken können.«
    »Es ist ein Aufzug von Otis, wenn ich mich richtig erinnere, oder?« »Ja.«
    »Hol deinen Schlüssel raus und sag mir die Nummer.«
    »Warte mal«, sagte Barbara. Man hörte, wie sie den Hörer hinlegte. Einen Augenblick später war sie zurück. »Ich habe ihn.«
    Preacher zog einen Zettel und seinen Kugelschreiber heraus. »Schieß los.«
    »Eins, null, sieben, zwei, drei, fünf, K, I.«
    Preacher las ihr die Nummer noch einmal vor.
    »Richtig«, sagte sie. »Aber was soll das nützen?«
    »Otis hat garantiert Unterlagen für Notfälle. Ich werde mir einen Schlüssel nachmachen lassen.«
    »Aber du mußt an den Wachen vorbei«, sagte sie.
    »Überlaß das nur mir«, sagte er. »Ich komme morgen nacht um zwei. Ich rufe dich kurz vorher an. Pack auf jeden Fall deine Sachen zusammen, auch wenn du nichts mehr von mir hören solltest.«
    Barbara schwieg einen Augenblick, dann sagte sie: »Preacher, wenn du nicht willst, brauchst du gar nichts zu unternehmen. Deshalb habe ich dir das Telegramm nicht geschickt. Ich möchte nicht, daß dir etwas passiert.«
    »Wir stehen alle in Gottes Hand«, sagte Preacher. »Laß uns beide um seinen Schutz bitten. Bis morgen nacht, Barbara.«
    »Ich werde für dich beten«, sagte sie.
    Preacher hängte ein. Einen Augenblick später klingelte das Telefon, und die Vermittlung meldete sich. »Das macht noch fünfundneunzig Cents zusätzlich«, sagte die Stimme.
    Nachdenklich betrachtete Preacher das Kleingeld in seiner Hand, suchte die passenden Münzen heraus und wartete, bis sie klickend durch den Apparat gerutscht waren. »Danke«, sagte die Stimme des Mädchens von der Vermittlung. Preacher legte den Hörer zurück auf die Gabel und ging zum Lieferwagen zurück.
    Preacher packte die schwarzen Hosen, den schwarzen Rollkragenpullover und die Skimütze nebeneinander aufs Bett, dann rollte er alles zusammen, verschnürte das handliche kleine Paket mit einem schmalen Gürtel und steckte es in eine unscheinbare Papiertüte. Ehe er hinüber zum Versammlungshaus ging, legte er das Päckchen auf den Vordersitz des Dodge.
    Tarz, Charlie und noch ein halbes Dutzend andere saßen am langen Tisch und sortierten die Post, die Preacher und Charlie gebracht hatten. Es gab drei verschiedene Häufchen. Das erste bestand aus Briefen von Leuten, die eine Spende geschickt hatten. Sie würden zum Dank eine besonders schöne Broschüre über die Gottesgemeinde erhalten. Der zweite Stapel waren Anfragen, die mit einem hektographierten Merkblatt beantwortet werden konnten. Der dritte Stapel enthielt die kritischen und feindseligen Zuschriften, deren Absender

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