Der Seelenfänger
Everett machte erneut eine Pause und sah sich am Tisch um. »Meiner Ansicht nach dürfte es relativ leicht sein, Reverend Talbot ein Image zu geben, das all unseren Zielvorstellungen völlig entspricht.«
»Gut.« Der alte Mann nickte. Dann hob er den Blick zu Preacher, der am anderen Ende des Tisches saß. »Reverend Talbot, Sie sehen so aus, als ob Sie Einwände hätten?«
»Nicht direkt Einwände«, erwiderte Preacher. »Was ich hier gehört habe, ist alles sehr interessant, aber ich habe doch eine Frage. Wie soll es denn nun weitergehen?«
»Das ist eine sehr berechtigte Frage, Reverend, aber ich glaube, die können nur wir beide, Sie und ich, wirklich schlüssig beantworten.« Randle erhob sich. »Meine Damen, meine Herren, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.«
Die Konferenz war beendet, und nach knappen Abschiedsgrüßen blieben Preacher und Randle allein. Der alte Mann musterte schweigend sein Gegenüber und kaute auf seiner Zigarre. Preacher gab den Blick gelassen zurück und blieb ebenfalls stumm.
Schließlich nahm Randle die Havanna aus dem Mund und betrachtete sie geistesabwesend. »Ich könnte Sie so groß machen, daß Sie populärer werden als der Papst«, sagte er beinahe behutsam. »Es hängt natürlich ganz von Ihnen ab, Reverend.«
Preacher schwieg.
»Ihre Show müßte einfach noch ein bißchen poliert werden. Sie müssen diesen bulligen Nigger und die Chinesin rausschmeißen, die bei Ihnen herumhängen. Die passen überhaupt nicht ins Bild. Die Leute mögen nun mal keine Nigger und keine Gelben. Und diese zehn kleinen Pipimädchen, die Ihnen die Füße waschen, als ob Sie der liebe Gott wären, sind auch nicht das Wahre. Sie quasseln zuviel. Jeder, der bei Ihnen im Zelt war, weiß spätestens nach zwei Stunden, daß Sie die alle gebumst haben. Die müssen verschwinden.«
»Ist das alles?« fragte Preacher.
»Nein.« Randle hob den Blick von seiner Zigarre und kniff die Augen zusammen. »Sie müssen außerdem aufhören, Jane Dawson zu vögeln. Sie haben ihr derart den Kopf verdreht, daß sie ihre Arbeit vernachlässigt. Außerdem habe ich ein sehr persönliches Interesse an ihr.«
Preacher stand auf. »Vielen Dank, Mr. Randle. Ich habe sehr viel gelernt.«
Der alte Mann sah ihn mißtrauisch an. »Was haben Sie gelernt, Reverend?«
»Ich habe gelernt, daß ich Sie gar nicht brauche. Ich schaffe es allein, Mr. Randle.«
Der Industriemagnat grunzte verächtlich. »Und woher nehmen Sie die fünf Millionen Dollar, die nötig sind, um Sie zu verkaufen?«
»Ich habe dieselben Berichte wie Sie gehört, Mr. Randle. Ich bin ganz schön herumgekommen mit meiner Show. Sie sind nicht der einzige, der ein paar Ersparnisse hat.«
»Kleingeld«, sagte der alte Mann. »Sie würden jahrelang brauchen, ehe Sie wirklich etwas verdienen. Ich kann dafür sorgen, daß sie jedes Jahr dreißig, vierzig, vielleicht sogar fünfzig Millionen scheffeln. Und zwar so schnell, daß Ihnen davon ganz schwindlig im Kopf wird.«
»Ich habe es nicht eilig«, erwiderte Preacher. »Ich kann warten. Ich bin ja noch jung, Mr. Randle.«
»Warum fällt es Ihnen denn so schwer, zu tun, was ich verlange?« fragte der alte Mann. »Diese Leute sind doch nicht wichtig für Sie. Die kann man doch einfach ersetzen.«
Preacher schüttelte den Kopf. »Sie verstehen das nicht, Mr. Randle. Diese Menschen bedeuten mir mehr, als Sie wissen können. Zwischen uns herrschen Liebe, Vertrauen und Glauben. Diese Menschen sind all die harten Jahre hindurch bei mir geblieben und haben zu mir gestanden. Judas hat unseren Herrn Jesus Christus für dreißig Silberlinge verraten. Glauben Sie wirklich, Sie könnten mir soviel bieten, daß ich meine Freunde verrate?«
Randle kniff wütend die Augen zusammen, dann schob er die kalte Zigarre zurück in den Mund und entspannte sich wieder. »Setzen Sie sich, junger Mann, setzen Sie sich«, sagte er. »Wir müssen darüber nachdenken, wo wir für Sie eine Kirche errichten.«
Preacher nahm wieder Platz. »Ich habe in Los Altos ein Grundstück.«
»Das geht nicht«, sagte Randle. »Die Leute denken, in Kalifornien gibt es bloß Irre. Sie brauchen eine Gemeinde im Süden oder Südwesten.« Er kaute nachdenklich auf der Zigarre. »Die Stadt darf nicht zu groß, aber auch nicht zu klein sein. Sie muß gute Verkehrsverbindungen haben, und vor allem darf es keinen Prediger mit überregionaler Bedeutung geben.«
»Wie wäre es mit New Orleans?« fragte Preacher. »Die Lage ist gut, und ich habe die Stadt
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