Der Seelenschluessel
kehrte so etwas wie Ruhe ein.
Doch dann war der Moment gekommen. Shing-kur war endlich bereit, Kiras Jem’Hadar umzudrehen. Die Erfolgsaussichten waren nie besser gewesen.
Es bedurfte eines gewissen Maßes an Talent, das Komm-System der Station zu überlisten, doch es gelang: Die Stationsbewohner merkten gar nicht, dass ein Fremder gezielt Kontakt zu einer ihrer Komm-Konsolen aufnahm. Als der Monitor in Ilianas abhörsicherer Komm-Kabine auf Harkoum endlich aufflackerte und die grimmige Miene eines viele Lichtjahre entfernten Jem’Hadars präsentierte, lächelte Iliana und sagte die Worte, die auszusprechen sie sich seit Monaten ersehnte.
»Hallo Taran’atar.«
Kapitel 2
Vor drei Monaten
Shing-kurs Wellenform hielt, was sie versprach. Taran’atars neue Knechtschaft machte ihn zum perfekten Spion. Unbemerkt sammelte er auf der Station allerhand interessante Informationen, übermittelte sie an Iliana und vergaß beides umgehend wieder. Zurückblieben höchstens Erinnerungsfragmente, ähnlich wie bei einem Traum.
»Mich überrascht, dass du ihn nur als Spion einsetzt«, sagte Shingkur eines Tages. Sie hatte Iliana im einstigen Büro des Gefängnisleiters gefunden, wie so oft in den letzten Tagen. Dort saß sie und las auf einem Padd.
»Bis jetzt«, erklärte Iliana, ohne den Blick von dem Gerät zu nehmen. Sie hatte ein besonderes Interesse für den Himmlischen Tempel und die Drehkörper entwickelt – Dinge, die während der Besatzung keine Bedeutung in Kiras Leben gehabt hatten. Taran’atar hatte ihr Unterlagen darüber geschickt. »Lass mich raten: Du dachtest, wenn wir mit Taran’atar erfolgreich wären, würde ich sofort eine Infiltrierung des Gamma-Quadranten in die Wege leiten. Damit wir das Potenzial der Wellenform voll ausnutzen können und ich die Armeen des Dominion meinem Willen unterwerfe.«
»So was in der Art«, gestand die Kressari.
»Nur Geduld, Shing. So verlockend die Idee auch ist, unzählige Milliarden Jem’Hadar-Soldaten durchs Wurmloch und vor Captain Kiras Haustür zu führen, wo ich Kiras Kopf dann auf einen Pfahl spieße, fehlt ihr doch ein gewisses …«
Iliana verstummte. Irgendetwas in der Datei, die sie las, ließ sie erstarren.
»Nerys?«, fragte Shing-kur. »Was ist?«
Iliana brauchte einen Moment, um ihre Stimme wiederzufinden, und brachte doch nur ein Flüstern Zustande: »Noch eine Kira.«
»Was?«
»Da ist
noch
eine Kira«, krächzte Iliana. »Noch ein Universum.«
»Wovon redest du?«
»Schau!«, brüllte Iliana und hielt Shing-kur das Padd hin. »Ein Paralleluniversum mit einer weiteren Kira Nerys!«
Shing-kur nahm das Padd und las die Datei. Iliana ging währenddessen im Raum auf und ab und konnte kaum noch atmen. Sie vergrub die Hände in ihrem Haar. Ihr war, als müsse sie platzen.
»Okay«, sagte die Kressari schließlich. »Aber warum regt dich das auf? Diese Frau hatte nichts zu tun mit deiner …«
Iliana blieb vor Shing-kur stehen und schlug ihr mit dem Handrücken ins Gesicht. Wegen der harten Kressarihaut war der Schlag für sie schmerzhafter als für Shing-kur. Dennoch wich ihre Freundin zurück, ließ sogar das Padd fallen. Shing-kurs Augen wurden lavendel vor Trauer, als Ilianas Zorn über sie kam wie eine Welle über ein felsiges Ufer.
»Du!«, rief Iliana. »Du sagst, du kennst mich in- und auswendig, und doch begreifst du nicht, was das hier für mich bedeutet? Es gibt noch eine Kira da draußen, Shing! Noch jemanden, der behauptet, ich zu sein. Noch jemanden, der mir
meine
Identität stiehlt.«
Shing-kur erwiderte nichts. Iliana packte sie am Kragen und presste sie gegen die Wand.
»Impliziert das nicht, es könnte unendlich viele Kiras geben?«, schrie Iliana. »In unendlich vielen alternativen Universen?
Kiras, die alle ein Stück von mir in sich tragen?
«
An das, was danach geschah, erinnerte sich Iliana später kaum noch. Als sie wieder einen klaren Gedanken fassen konnte, saß sie am Boden, umgeben von den Trümmern ihres Büros, und schluchzte unkontrolliert. Shing-kur, blutend und geschunden, wiegte ihren Kopf in ihrem Schoß, ganz sanft, vor und zurück.
»Wir werden sie kriegen«, flüsterte sie Iliana ein Versprechen ins Ohr. »Jede einzelne von ihnen.«
Danach war Iliana nicht mehr dieselbe. Sie spürte es. Irgendwo tief in ihrem Inneren hatte sich etwas verändert – und sie gleich mit. Ein Feuer brannte hinter ihrer Stirn, und ihr war, als könne sie es erst dann löschen, erst dann wieder sie selbst sein, wenn alle
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