Der Seelenschluessel
zu haben. »Das darf ich nicht …«
»Taran’atar«, befahl Iliana in demselben Ton, mit dem sie den Jem’Hadar heraufbeschworen hatte, »reiß ihm den linken Daumen ab.«
»Warten Sie!«, brüllte Entek panisch, kaum dass das Monster einen entschlossenen Schritt auf ihn zugetreten war. »Ich sage es Ihnen ja schon!«
»Stopp«, sagte Iliana ruhig. Sofort blieb der Jem’Hadar stehen. Sie wandte sich an Entek. »Wie meinten Sie gerade, Corbin?«, fragte sie schmeichlerisch.
Entek war sichtlich entsetzt. »Rhukal gehörte zu uns, er war Agent des Ordens. Aber er wurde eindeutig als Mörder unseres früheren Direktors Tekeny Ghemor identifiziert.«
Iliana ballte die Hand zur Faust. »Und Martok … Martok denkt, mein Interesse an Ataan deute auf eine Komplizenschaft in Ghemors Ermordung hin?«
»Das glauben alle«, erwiderte Entek. »Der Regent, Direktorin Lang, der oberste Legat. Alle.«
»Alle«, wiederholte Iliana sanft. Doch die Erkenntnis ihrer unvorsichtigen Methoden jagte einen Feuersturm aus Wut und Frustration durch ihre Seele.
Seit das
Paghvaram
ihr ihre Doppelgängerin gezeigt hatte, fiel es ihr immer schwerer, sich an einzelne Details aus dem Leben dieser Person zu erinnern. Iliana war dankbar dafür. Eine Sache haftete ihr aber nach wie vor derart stark im Gedächtnis, dass sie ihr sogar seit Wochen im Schlaf begegnete. Ein Gesicht, das ihr trotz all der Jahre noch immer Kummer verursachte.
Ataans Gesicht.
Es war in ihrer ersten Nacht auf der
Negh’Var
geschehen. In einem schwachen Moment war Iliana aufgestanden und hatte über das cardassianische Informationsnetz Auskunft über Ataans hiesiges Gegenstück erbeten. Sie hatte einfach wissen wollen, wo er in diesem Kontinuum war. Gefunden hatte sie nichts. Ataan Rhukal, so kam es ihr damals vor, existierte hier nicht. Iliana redete sich ein, sie habe sich sein Gesicht in dem Wirbelwind aus Eindrücken aus dem Leben ihrer Doppelgängerin nur eingebildet.
Nun aber wusste sie es besser. Der Orden hatte Ataan verschwinden lassen.
Ihre eigene Ausbildung beim Obsidianischen Orden und all die Tragödien und Lügen, die ihr seitdem begegnet waren, hatten sie emotional abstumpfen lassen.
Ist das nicht ironisch?
, dachte sie.
Nach allem, was ich durchgemacht und getan habe, um meinem Weg bis hierher zu folgen, falle ich ausgerechnet meinem Rest von Sentimentalität zum Opfer
…
Ihr Mentor hätte sie bestimmt dafür ausgelacht. Vielleicht tat er das sogar gerade.
Iliana sammelte sich und erhob sich von ihrem Platz an Kurns Tisch. Als sie sich wieder zu Entek umdrehte, trug sie ein strahlendes, freundliches Intendantin-Lächeln im Gesicht, und ihr Tonfall war der einer großzügigen Gastgeberin. »Bringen Sie ihn her«, bat sie Taran’atar.
»Warten Sie!«, rief Entek, als der Jem’Hadar ihn am Kragen packte. Iliana ging zur Tür des Büros, und Taran’atar folgte ihr, Entek im Schlepptau. »Intendantin, bitte! Ich verstehe nun, dass das alles nur ein unglückliches Missverständnis war. Sie wussten ganz offensichtlich von nichts. Das werde ich dem Regenten schon erklären. Ich schwöre es!«
Iliana lächelte und trat über die Schwelle. »Das weiß ich doch, Corbin. Schließlich waren Sie mir schon immer eine große Hilfe.«
Kapitel 8
Drei Tage zuvor
Raknal Station hing wie eine riesige Spinne im schillernden Betreka-Nebel über dem Planeten, dem sie ihren Namen verdankte.
Ihr Design reflektierte den Geschmack ihrer cardassianischen Erbauer. Ein Dutzend »Beine« aus Duranium, die Andockpylone, ragten aus der an eine Untertasse erinnernden zentralen Sektion. Raknal war gut fünf Mal so groß und zehn Mal so gut bewaffnet wie Terok Nor und galt als am besten befestigte Station in diesem Teil der Galaxis. Nahezu jede große Operation der klingonisch-cardassianischen Allianz wurde von hier geleitet, der – symbolischen, wenn auch nicht buchstäblichen – Mitte zwischen Cardassia Prime und Qo’noS. Raknal Station verkörperte die kollektive Macht zweier großer galaktischer Reiche und das zarte Band, das sie zusammenhielt.
Vor knapp fünfzig Jahren hatten Cardassianer bei einer Erkundung des Planeten Raknal V das Wrack eines klingonischen Schiffes entdeckt. Der Fund hatte die noch junge Allianz beinahe entzweit, da jede der beiden Parteien Herrschaftsansprüche auf das System erhob. Wie schon zuvor konnte Bajor aber eine Einigung herbeiführen. Raknal V wurde zum Symbol einer erstarkten, vereinten Allianz, und Raknal Station entstand, um
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