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Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Titel: Der Seerosenteich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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an.
    Isabelle drehte sich um. «Nein!» Hinter ihr stand Patrizia Paslack, die Gefährtin aus der Lehrzeit. «Ich sterbe! Patrizia!»
    «Wollte gratulieren kommen!» Patrizia schwenkte einen Biedermeierstrauß vor ihrer Nase. Sie lachte fröhlich, und die beiden Frauen liefen aufeinander zu und umarmten sich. Menschen, die sich eine lange Zeit nicht gesehen haben, neigen dazu zu denken, nur der andere habe sich verändert, während man selbst gleichgeblieben sei. Sie kaschieren die Überraschung, ja, manchmal sogar den Schock darüber, daß das Älterwerden offenkundig sichtbar wird, indem sie das Gegenteil von dem sagen, was sie meinen.
    «Du hast dich überhaupt nicht verändert!» behauptete Isabelle.
    Dabei hatte sich Patrizia verändert. Und wie! Sie wog doppelt soviel wie früher, und das, obwohl Isabelle schon damals gewettet hätte, daß eine Steigerung nicht mehr möglich gewesen wäre. Ihr Leinenkostüm – mit Dekolleté für sechs Personen – war in auf fälligem Tigermuster bedruckt, ebenso wie ihre High Heels. Die Brille, die sie mittlerweile tragen mußte, hatte die Form von Schmetterlingsflügeln und war mit bunten Straßsteinen besetzt. Sie schwamm in schwerem Parfüm und schwerer Begeisterung für sich selbst.
    Jetzt drehte Patrizia sich mit ausgebreiteten Armen einmal herum. «Wie findest du mich?» Der Ton dieser Frage ließ nur eine Antwort zu. «Ich habe mich für schrill entschieden. Langweilige Leutchen gibt's genug, oder?»
    Isabelle mußte lachen. «Wie kommst du hierher?»
    «Mit der U-Bahn.» Sie knickte ihr rechtes Bein hoch, um die Strumpfnaht geradezuziehen, und stützte sich mit der linken Hand auf Isabelles Schulter. «Unsinn, ich habe deine Stellenanzeigen in der Zeitung gesehen. Und dann dies hier ...» Sie stellte sich wieder aufrecht hin und fummelte aus ihrer XXL-Handtasche aus erdbeerfarbenem Lackleder einen Zeitungsartikel hervor. Er zeigte ein Bild von Puppe Mandel und handelte davon, daß sie ihren Modesalon nach mehr als fünfundzwanzig Jahren aufgegeben und an ihre Nachfolgerin Isabelle Corthen verkauft habe, langjährige Mitarbeiterin von Yves Morny in Paris. Es war der erste Zeitungsbericht, in dem Isabelles Name erwähnt wurde, und fortan sollte er, hinter Glas gerahmt, in ihren Büros hängen, als Erinnerung an die Zeit, in der alles begonnen hatte.
    «Und dann lese ich das alles und bin natürlich baff: Unsere Isa, sage ich mir, wer hätte das gedacht. Auf einmal Modeschöpferin!»
    Isabelle winkte ab. «Mit Schulden bis zum Abwinken und einer ungewissen Zukunft ...»
    Der Handwerker hatte seine Arbeit beendet, stieg von der Leiter herunter und klappte sie lärmend zusammen wie jemand, der auf sich aufmerksam machen will. «Ich wär dann soweit», sagte er. Keine Antwort. Die Frauen redeten, schnatterten, kicherten, lachten, schrien auf, fragten, antworteten und erzählten. Das Atelier. Die Fürstin. Puppe Mandel. Mozart. Remo. Paris. Die Zukunft.
    Er räusperte sich. «Wenn Sie denn mal schauen wollen?»
    Isabelle und Patrizia sahen hoch. Da prangte der Name.
    «Wow!» sagte Patrizia.
    «Schön!» sagte Isabelle.
    Zufrieden machte sich der Handwerker daran, das Kabel zusammenzurollen und seine Sachen zu packen.
    «Laß uns reingehen», schlug Isabelle vor.
    Patrizia folgte ihr, und drinnen zeigte Isabelle ihr die neuen Regale in den Verkaufsräumen, die Kleiderständer, an denen noch kein einziges Stück hing, die winzigen Umkleidekabinen, die Tresen in der Halle, auf denen später die Sachen verpackt würden und wo kassiert werden sollte, und den großen Büroraum im darüberliegenden Geschoß. Hinter einem Paravent, den Puppe ihr überlassen hatte, stand ihr Schreibtisch aus Glas und Chrom. Auch wenn alles unfertig war: ihn hatte sie schon perfekt ausgestattet, von der schwarzledernen Schreibtischunterlage bis zum Silberbecher für Bleistifte. In einer kubistisch anmutenden blauen Glasvase stand ein Lilienstengel, daneben Carls Bronzefigur, die ihr Maskottchen geworden war. In einem Silberrahmen prangte ein Foto. Patrizia nahm den Rahmen hoch und betrachtete das Bild. Es zeigte Isabelle. Sie saß in einem Pariser Café und lachte in die Kamera.
    «Na ja ...» Leicht verlegen nahm sie Patrizia den Silberrahmen wieder aus der Hand und stellte ihn zurück. «Einen Kerl gibt es nicht in meinem Leben. Also stelle ich lieber ein Bild von mir selber auf.»
    «Ach, Kerle ...» Patrizia setzte sich auf den mit weißem Leder bezogenen Freischwinger, der vor dem Schreibtisch

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