Der Seerosenteich: Roman (German Edition)
der Vertrag schließlich zustande. Es wurde vereinbart, daß Carl Trakenbergs und Peter Ansaldis Firma die Hälfte des neugegründeten Unternehmens halten würden, mit zehn Prozent wurde Puppe Mandel beteiligt, die restlichen vierzig Prozent gehörten Isabelle und wurden durch die Bank finanziert. Carl bürgte für diese Kredite, wie er es versprochen hatte. Puppe Mandel – die anfangs eine beratende Position innehaben sollte vermietete das Haus, in dem sich der Salon befand und das als Firmensitz beibehalten werden sollte, zu einem günstigen Preis an Isabelle. Endlich war alles perfekt. Die Corthen-Mode-GmbH stand.
Unter Puppe Mandels Mitarbeiterinnen herrschte große Aufregung, wie immer, wenn Menschen aus dem gewohnten Trott herausgerissen und vor neue Situationen gestellt werden. Es gelang Isabelle, alle zu beruhigen. Niemand sollte entlassen werden. Die Direktrice kündigte sofort. Sie konnte Isabelle nicht leiden und traute ihr, so erzählte sie den Kolleginnen ganz offen, nichts zu. In Wahrheit war sie neidisch. Neid ist ein großer Motor, er bewegt Menschen zu den äußersten Handlungen, meist zerstörerischer Natur. Isabelle sollte ihm noch oft begegnen in den folgenden Jahren, und es war ihr Glück, daß die Direktrice ihre negative Energie gegen sich selbst richtete und ging. Sie hätte ihr das Leben zur Hölle machen können.
Nun galt es zu handeln. Isabelle hatte klare Vorstellungen davon, wie es weitergehen sollte. Sie wollte keine Modellkleider mehr anfertigen. Die Tradition von Puppe Mandels Salon wurde zu Grabe getragen. Aus den Pariser Erfahrungen schöpfend, entschloß sich Isabelle, nur noch Prêt-a-porter herzustellen, Kleider von der Stange, und aus dem Salon eine Boutique zu machen. Sofort nachdem Puppe Mandel ausgezogen und in ihr reetgedecktes Anwesen auf Sylt übersiedelt war, baute Isabelle das ganze Haus um, kostenbewußt und schnell. Alles wurde entrümpelt und modernisiert. Isabelle wollte keinen Plüsch mehr, sondern kühle Klasse. Aus den altmodischen Showrooms wurden Verkaufsräume, in die Halle ließ sie einen Kassentresen einbauen. Das Atelier wurde zum Büro und verkleinert in Puppe Mandels frühere Privaträume unter das Dach verlegt.
In dieser Zeit schlief Isabelle kaum mehr als vier Stunden pro Nacht. Sie sprach mit Handwerkern, sie nahm Kontakte zu Kleiderfabrikanten auf, die ihre Entwürfe produzieren sollten, sie setzte Annoncen in die Zeitung, in denen sie neue Mitarbeiterinnen – zwei Verkäuferinnen, eine Sekretärin und eine Assistentin für sich – suchte, sie zeichnete, nachts auf immer noch nicht ausgepackten Umzugskisten sitzend, Entwürfe über Entwürfe, sie beaufsichtigte die Näherinnen, die die letzten Aufträge von Puppe Mandels Stammkundinnen ausführten.
Carl, der eigentlich Verständnis dafür hätte haben müssen, daß sie vor Arbeit kaum aus den Augen gucken konnte, traktierte sie zusätzlich. Ständig arrangierte er Termine für sie. Stolz wie ein kleiner Junge, der sein neuestes Spielzeug vorführen wollte, stellte er Isabelle seinen Geschäftsfreunden vor. «Können dir alle noch sehr nützlich sein, sei nicht so naiv, so was ist wichtig!» zischte er ihr, wenn sie widerstrebend, abgehetzt und verspätet angetrabt kam, ins Ohr, bevor sie ein Restaurant betraten und mit Kaffeehändlern, Börsenmaklern, Handelskammerpräsidenten und Zeitungsredakteuren zu Mittag aßen.
Dann gab es eine Überraschung. Eines Vormittags im Juli stand Isabelle draußen vor dem Gebäude und instruierte einen Handwerker, der auf der Leiter stand, um den alten Schriftzug über dem Eingang zu entfernen und einen neuen anzubringen: Boutique Belle Corthen stand jetzt in Chrombuchstaben über der Tür. Carl hatte ihr geraten, die erste Silbe ihres Namens künftig zu streichen, weil es so «besser laufen» würde, wie er sich ausdrückte, und «etwas Internationales kriegt».
«Denken Sie daran, daß wir da drunter auch noch Licht anbringen müssen», erklärte Isabelle, «ich will, daß die Buchstaben abends von unten angeleuchtet werden.»
«Von unten, soso ...», murmelte der Handwerker und setzte die Bohrmaschine an.
«Aber auch nicht so hoch!» rief sie.
Er stellte die Bohrmaschine ab und sah herunter. «Wissen Sie, junge Frau», erwiderte er trocken, «Sie machen Ihren Job. Und ich mach meinen. Was halten Sie davon?»
«Ist schon gut.»
«Außerdem will da jemand was von Ihnen!» Er zeigte hinter sie auf den Parkplatz an der Straße und schmiß den Bohrer wieder
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